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Länger vital und kein Pflegefall
Durch Vorbeuge sollen 30 Millionen Euro jährlich für zusätzliche Sozialhilfe gespart werden
»Die Verlängerung der Lebenserwartung ist die Erfüllung eines Menschheitstraums«, sagt Professor Johann Behrens. Damit die Senioren das Leben jedoch auch im hohen Alter noch genießen können, benötigen sie Aufmerksamkeit von Freunden und Verwandten, Hilfe des Staates und am Ende oft auch professionelle Pflege.
Die Politik muss jetzt handeln, um einen Pflegenotstand in Brandenburg zu verhindern. Unter den 2,4 Millionen Einwohnern des Bundeslandes befinden sich bereits heute viele Hochbetagte, die 80 Jahre und älter sind. Knapp 96 000 Brandenburger sind aktuell pflegebedürftig. Prognosen zufolge werden es im Jahr 2030 etwa 162 000 sein. Die ambulanten Pflegedienste würden dann 21 000 Beschäftigte benötigen, während sie heute noch mit 12 500 auskommen. In den Pflegeheimen würden die derzeit 16 400 Mitarbeiter dann auch längst nicht mehr ausreichen. Dort würden mehr als 33 000 Beschäftigte gebraucht. Das sind Zahlen aus einer Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ein Team des dortigen Instituts für Gesundheitswirtschaft um Professor Johann Behrens hat diese 380 Seiten dicke Studie erstellt.
»Die Pflegestudie zeigt eindeutig: ›Weiter so‹ geht nicht«, sagte am Montag Sozialminister Günter Baaske (SPD). Wenn sich nichts ändert, müssten jährlich 200 Millionen Euro zusätzliche Sozialhilfe aufgewendet werden, weil schmale Renten und die Leistungen der Pflegeversicherung in vielen Fällen nicht ausreichen, um die Pflege zu bezahlen. Daher sei jeder Euro, der heute für die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit ausgegeben werde, eine sinnvolle Investition in die Zukunft, findet der Minister. »Wer länger fit und vital bleibt, bei dem sinkt deutlich das Risiko, ein Pflegefall zu werden.« Wenn es gelänge, nur 15 Prozent der erwarteten Kostensteigerungen durch Vorbeuge abzuwenden, so könnten 30 Millionen Euro jährlich gespart werden, rechnete Baaske vor. Ihm schweben konkrete Maßnahmen vor. So sollen die Kommunen abstimmen, welche ambulanten Pflegedienste wo tätig werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Benötigt werden barrierefreie Wohnungen, öffentlicher Nahverkehr, Seniorentreffs und Beratungsstellen.
Der Fachkräftemangel in der Pflege könnte begegnet werden. Viele Pflegekräfte möchten nämlich gern eine volle Stelle, bekommen jedoch keine, weiß der Minister. Außerdem müssten die Leute für ihre »wertvolle und anstrengende Arbeit« besser bezahlt werden. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag wäre notwendig, sagte Baaske. Derzeit lernen an 16 Berufsschulen in Brandenburg 1700 Männer und Frauen die Altenpflege. »Wenn mehr Interessenten kommen, bauen wir das System gerne aus«, versicherte der Minister.
Die Bereitschaft zu nachbarschaftlicher Hilfe und bürgerschaftlichem Engagement sei riesig, schwärmte Professor Behrens am Montag. Die Ehrenamtlichen benötigen nach seinen Angaben jedoch Unterstützung, »um nicht auszubrennen«. Er sagte: »Wie die Hebammen die Mütter nicht ersetzen, sondern unterstützen sollen, so muss es Aufgabe der Fachpflege werden, die Familienangehörigen und Wahlverwandten, die Nachbarn und bürgerschaftlich Engagierten zu unterstützen, nicht zu ersetzen.« Die Herausforderungen in Brandenburg seien im internationalen Vergleich nicht größer als für andere Länder auch.
Studie unter www.masf-brandenburg.de
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