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Ostukraine: USA werfen Russland »Kampagne« vor

Öffentliche Gebäude besetzt, »Volksrepublik« ausgerufen / Moskau weist Vorwürfe zurück / USA und Russland wollen über Ukraine sprechen / EU äußert Besorgnis

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Angesichts neuer Spannungen haben sich die USA und Russland nach Angaben aus Washington auf direkte Gespräche über die Lage in der Ukraine geeinigt. An dem Treffen innerhalb der nächsten zehn Tage sollten auch Vertreter der Europäischen Union und der Ukraine teilnehmen, teilte das US-Außenministerium am Montag mit. Darauf hätten sich Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in einem Telefonat geeinigt, sagte eine Sprecherin. Kerry habe Lawrow in dem Gespräch dazu gedrängt, sich von den »Separatisten, Saboteuren und Provokateuren« zu distanzieren, die mehrere öffentliche Gebäude in der ehemaligen Sowjetrepublik besetzt hatten.

Diese Aktionen seien anscheinend keine »spontane Reihe von Ereignissen«, habe Kerry gesagt, sondern eine »orchestrierte Kampagne mit russischer Unterstützung«. Die Kräfte, die öffentliche Gebäude im Osten der Ukraine gestürmt hatten, seien nach US-Informationen zum Teil bezahlt worden. Es gebe »starke Hinweise« darauf, dass zumindest einige von ihnen dort gar nicht wohnten und bezahlt worden seien, sagte Präsident Barack Obamas Sprecher Jay Carney am Montag. Die »Provokationen« seien ein Ergebnis des wachsenden Drucks aus Russland. Carney wiederholte Obamas Worte, der bei neuen Interventionen Russlands in der Ukraine mit »weiteren Konsequenzen« gedroht hatte. Eine offene oder heimliche Intervention in der Ostukraine bedeute eine »ernsthafte Eskalation«.

Moskau wies jede Verantwortung zurück. »Genug der Anschuldigungen gegen Russland, das für alle aktuellen Probleme der Ukraine verantwortlich gemacht wird«, teilte das Außenamt in Moskau mit. Kreml-Chef Putin will sich in der kommenden Woche ausführlich zu dem Konflikt äußern. Am 17. April sei dazu im Staatsfernsehen die traditionelle Sendung »Direkter Draht« mit dem Kremlchef geplant, berichtete die Zeitung Moskauer »Kommersant«.

Zuvor waren mehrere öffentliche Gebäude im Osten des Landes gestürmt worden. In der russischsprachigen Millionenstadt Donezk riefen die Besatzer der Gebietsverwaltung am Montag eine souveräne Volksrepublik aus. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an - nach dem Vorbild der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Zudem forderten die Protestierer Kremlchef Wladimir Putin auf, »Friedenssoldaten« zu entsenden. In der zweitgrößten Stadt Charkow erwarteten moskautreue Aktivisten Verstärkung aus anderen Städten, um ein Zeltlager zu organisieren - wie zuletzt bei antirussischen Demonstrationen auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Dort hatten blutige Proteste zum Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik geführt. In Lugansk leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein, nachdem Aktivisten das örtliche Geheimdienstgebäude gestürmt hatten. Dabei waren am Sonntag mehrere Menschen verletzt worden. Die Miliz in Lugansk wurde in »Kampfbereitschaft« versetzt, wie die Behörden mitteilten. Die Zufahrtsstraßen zur Stadt seien gesperrt. Maskierte im Geheimdienstgebäude sollen die Waffenkammer geplündert haben.

Anders als auf der Krim gibt es in den ostukrainischen Gebieten an der Grenze zu Russland aber keine Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Zudem hat Moskau die selbst ernannte Vertretung bisher nicht anerkannt und hat auch - im Gegensatz zur Schwarzmeerflotte auf der Krim - keine Truppen dort stationiert. In Kiew drohte Interimspräsident Alexander Turtschinow mit einem Anti-Terror-Einsatz gegen die »Separatisten«. Er warf Russland in einer emotionalen Rede vor dem Parlament vor, es wolle »die Situation im Staat destabilisieren (...) und unser Land in Teile reißen«. Auch die Präsidentenkandidatin Julia Timoschenko betonte bei einem Besuch in Donezk, bei den Angreifern handele es sich um bezahlte Provokateure. Sieben Wochen vor der Präsidentenwahl am 25. Mai forderte sie die Regierung zu einem harten Durchgreifen auf. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Moskau vor, eine Vernichtung des ukrainischen Staates zu planen. Russland hatte zuletzt die Gaspreise für Kiew deutlich angehoben und damit den wirtschaftlichen Druck auf das vor dem Bankrott stehende Land erhöht.

Die Bundesregierung zeigte sich besorgt über die Lage in der Ostukraine. Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte in Berlin an »alle Verantwortlichen, zur Stabilisierung der Region beizutragen und solche Eskalationen zu vermeiden«. Zugleich drohte er Russland erneut mit einer weiteren Sanktionsstufe. Das Auswärtige Amt will vorerst keine deutschen Diplomaten mehr auf die Krim reisen lassen. Hintergrund ist die Sorge, dass dies als völkerrechtliche Anerkennung der Annexion durch Russland verstanden werden könnte. Die Nato schränkte die Bewegungsfreiheit der 70 russischen Diplomaten innerhalb der Nato-Zentrale in Brüssel ein. Künftig dürfen sich nur noch der Botschafter, sein Stellvertreter und zwei Mitarbeiter frei im Gebäude der Nato-Zentrale bewegen.

Die Europäische Union beobachte die Lage in der Ostukraine »genau und mit Sorge«, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. Ein Sondertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) blieb ohne Aufklärung über die russischen Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze. Die russische Delegation erschien in Wien erst gar nicht. Die Einberufung des Treffens sei nicht gerechtfertigt, da der Anlass zu gering sei.

Auf der Krim gab es unterdessen einen tödlichen Zwischenfall: Ein russischer Soldat erschoss einen ukrainischen Offizier im Streit, wie Behörden mitteilten. Der russische Soldat sei dabei von dem angetrunkenen 32 Jahre alten Offizier angegriffen und verletzt worden und habe dann die tödlichen Schüsse abgefeuert. Es werde wegen Mordes ermittelt, sagte Justizsprecher Andrej Wassilko der Agentur Interfax. dpa/nd

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