300 Euro pro Schmuddelmatratze

NRW geht gegen skrupellose Vermieter vor, die unbewohnbare Wohnungen überbelegen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Rot-Grün will in NRW das Geschäft mit dem Elend Unterschlupf suchender Roma unterbinden. Praktiker sind skeptisch.

Künftig haben Erwachsene in Nordrhein-Westfalen Anspruch auf einen Mindestwohnraum von neun Quadratmetern, bei Minderjährigen sind es zwei Drittel dieser Fläche. Eine Familie mit zwei Kindern darf also in keiner Wohnung leben, die kleiner ist als 30 Quadratmeter zuzüglich Küche und Bad. Gewisse Mindeststandards müssen Vermieter nun auch dann erfüllen, wenn ihre Kunden arme Migranten oder Sozialrentner sind, sonst drohen Bußgelder von bis zu 50 000 Euro. Krasse Überbelegung soll ebenso verhindert werden wie das große Geschäft mit vernachlässigten und daher sukzessive verrottenden Immobilien. So will Rot-Grün halbseidenen Vermietern und Finanzinvestoren in die trübe Suppe spucken.

Kommunale Ämter können und müssen nun bei Missständen eingreifen - schneller, öfter und tiefer als bisher. So legt es das neue Wohnungsaufsichtsgesetz fest, das Mitte letzter Woche gegen die Stimmen von CDU und FDP den Landtag passierte. Der Handlungsbedarf ist nur zu offensichtlich. Gerade dann, wenn es um das Geschäft mit dem Elend von Roma geht, die aus Rumänien und Bulgarien ins Ruhrgebiet kamen.

In Duisburg braute sich vor einem sogenannten Problemhaus zeitweilig eine pogromartige Stimmung zusammen. Ausgelegt auf 300 Personen, lebten dort nach Schätzungen bis zu 1400 Menschen. Der Eigentümer der völlig überbelegten Immobilie, eine Rotlichtgröße, schickte Rocker zum Abkassieren vorbei - 300 Euro pro Schmuddelmatratze und Monat! -, kümmerte sich ansonsten aber nicht um die Interessen von Be- und Anwohnern des Hauses. Die rot-grün-rot regierte Stadt erklärte wortreich, ihr seien die Hände gebunden. Nachbarinnen kümmerten sich um die Kinder, die ansonsten zwischen Ratten und Unrat spielten. In der Dortmunder Nordstadt entstand derweil das, was im Jargon der Medien schlicht »Roma-Slum« heißt. Eine »Task Force« der Stadt musste dort ein paar besonders üble Häuser dicht machen. Weil die gesundheitlichen Gefährdungen allzu zu groß waren durch ein Leben ohne Strom und Wasser oder bei Einsturzgefahr, hatte die Stadt hier die Möglichkeit, auch ohne das neue Gesetz einzugreifen. Wird nun mit ihm auch bei nicht ganz so krassen Fällen manches besser?

Der Wohnungspolitikexperte der LINKEN in NRW, Günter Bell, begrüßt das Gesetz als »notwendigen und richtigen Schritt, die kommunale Wohnungsaufsicht zu stärken«. Kommunen hätten nun mehr und bessere Möglichkeiten, gegen Vermieter vorzugehen, die Wohnungen vernachlässigen. Doch hätten viele Kommunen in den letzten Jahren ihre Wohnungsaufsicht personell und organisatorisch geschwächt. Das Land müsse die Kommunen bei der Umsetzung des Gesetzes finanziell stärken, sonst bleibe es vielerorts ein zahnloser Tiger.

Die Streetworkerin Julia von Lindern befürchtet derweil erzwungene Wohnungslosigkeit. »Ich frage mich: Wo kommen die Roma, die ja meist seit vielen Jahren hier leben, künftig unter?« Desolater Wohnraum sei immer noch besser als ein Leben unter freiem Himmel oder in der Notunterkunft, so die Leiterin des Düsseldorfer Projekts »EastWest - Auswege statt Ausgrenzung«, das unlängst von der Landesregierung für seine »beispielhafte Pionierarbeit« ausgezeichnet wurde. Von Lindern erkennt die gute Absicht des Gesetzes - »eine adäquate Lösung bietet es aber nicht«.

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