Stillstand für Arbeiterrechte

Europäisches Parlament verabschiedet Richtlinie zu ausländischen Beschäftigten

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Kurz vor Ende der Wahlperiode hätte das EU-Parlament am Mittwoch noch die Möglichkeit gehabt, bei EU-Bürgern zu punkten, die in anderen Mitgliedsstaaten arbeiten. Stattdessen nahm die Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg einen von der Industriegewerkschaft BAU so betitelten »miesen Kompromiss« an. Damit ist die EU-Durchsetzungsrichtlinie für die Entsenderichtlinie nach jahrelanger Debatte verabschiedet. Erklärtes Ziel ist die Bekämpfung von Sozialdumping auf Baustellen oder in Schlachthöfen. Gewerkschaften, Linke und Sozialdemokraten hätten dagegen lieber in der nächsten Legislaturperiode einen Neustart mit einer überarbeiteten Entsenderichtlinie gewagt. »In vielen Branchen werden Beschäftigte aus anderen EU-Staaten einzig mit dem Ziel des Lohn- und Sozialdumpings eingesetzt«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. »Mit Lohnbetrug, Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen machen ›Unternehmer‹ in langen, unübersichtlich organisierten Subunternehmerketten grenzüberschreitend Geschäfte zulasten der betroffenen ArbeitnehmerInnen.« Dem effektiv und mit eindeutigen Regeln einen Riegel vorzuschieben, wäre dringend nötig gewesen.

Auch wenn Sozialdemokraten und Linke angekündigt haben, weiter an einer neuen Entsenderichtlinie zu arbeiten, wird es wohl Jahre dauern, bis das Thema in der EU wieder so weit oben auf der Tagesordnung steht.

Für den polnischen Kraftfahrer Richard B. und seinen Kollegen Kacper Wieczorek (Namen geändert) wird sich daher so schnell nichts ändern. In ihrer Branche arbeiten neben der Fleischindustrie und dem Bau besonders viele entsandte Beschäftigte. Die Geschichte der beiden Kraftfahrer, die exemplarisch für die Ausbeutung vieler vor allem osteuropäischer Arbeiter steht, lesen Sie in folgenden Artikeln.

Keine Menschen, sondern Kostenfaktoren
Osteuropäische Beschäftigte werden in Deutschland oft ausgebeutet. Ein Blick in die Transport- und Logistikbranche

Müder Kompromiss statt Neustart
EU-Parlament verabschiedet Erweiterung der Entsenderichtlinie / Keine umfassende Generalunternehmerhaftung bei Sozialdumping

Kontrollen gegen Ausbeutung
Worüber das EU-Parlament entschieden hat

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!