Geraubter Lebens-Sinn
Über aktuelle Ressentiments und ein Buch von 1933: »Die Arbeitslosen von Marienthal«
Erwerbslose sind faul, gucken Unterschichten-TV und geben die Stütze für Zigaretten, Dosenbier sowie riesige Flachbildfernseher aus. Vorurteile über Menschen, die schon länger keiner Lohnarbeit nachgehen können, sind so dumm wie beschämend - für jene, die so denken. Und das sind viele. Vor ein paar Jahren zeigte eine Untersuchung unter Leitung des Soziologen Wilhelm Heitmeyer, dass es fast zwei Drittel der Bundesbürger als empörend ansehen würden, wenn Langzeitarbeitslose »sich auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben« machten. Auch spätere Umfragen haben bestätigt, wie tief sich die Ökonomisierung des Sozialen ins allgemeine Bewusstsein eingegraben hat: Menschen werden unter der Maßgabe ihrer ökonomischen Nützlichkeit betrachtet. Und wer nicht lohnarbeitet, der fällt im Auge des vorurteilsbeladenen Betrachters auch hinter eine durchkapitalisierte Moral zurück.
Das Ressentiment ist umso widerwärtiger, als dass der Aussch...
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