Die Unvollendete von Jürgen Klinsmann

Nach der Halbfinal-Niederlage gegen Italien wird mal wieder über die Zukunft des Bundestrainers spekuliert

  • Matthias Koch, Dortmund
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Frankreichs Zinedine Zidane der 80er Jahre hieß Michel Platini. Zwischen 1976 und 1987 erzielte der begnadete Mittelfeldspieler 41 Länderspieltore. Platini führte die »Blauen« 1984 zum Europameistertitel. 14 Mal spielte er bei Fußball-Weltmeisterschaften. Gleich zwei Mal - 1982 und 1986 - scheiterte er im Halbfinale an deutschen Mannschaften. Ein WM-Endspiel blieb ihm in seiner großen Karriere verwehrt.

Michael Ballacks Parallele zu Michel Platini
Für Michael Ballack gibt es seit Dienstagabend eine Parallele zu Platini. Der Star des FC Bayern München, der in der kommenden Saison für den FC Chelsea London spielt, kam in Dortmund wie bei der WM in Japan und Südkorea nicht über die Vorschlussrunde hinaus. Vor vier Jahren erhielt Ballack im WM-Halbfinale gegen Südkorea (1:0), das er mit seinem Tor entschieden hatte, die zweite Gelbe Karte. Somit war der Ex-Chemnitzer für das Finale gegen Brasilien (0:2) gesperrt.
Klar, dass der 29-Jährige unbedingt bei der WM im eigenen Land die Endspielteilnahme nachholen wollte. Doch diesmal setzten die Italiener das Stoppzeichen. Kurz bevor beide Teams in der spannenden Begegnung die Ziellinie zum Elfmeterschießen zu erreichen drohten, versetzten Tore von Fabio Grosso und dem eingewechselten Alessandro del Piero die deutschen Fußballfans in einen Schockzustand. Ob in den Fanmeilen oder im heimischen Wohnzimmer - es gab viele Tränen um die gescheiterte deutsche Mannschaft.
Michael Ballack hatte selbst eine Stunde nach dem bitteren Ende der kämpferischen 120 Minuten das Unfassbare noch nicht verdaut. Immer wieder schoss ihm das Wasser in die Augen. Nur knapp schilderte er in der Mixedzone seine Eindrücke.
»Es wäre ungerecht, wenn wir nicht gewonnen oder ins Elfmeterschießen gemusst hätten. Wir waren einfach einen Tick besser als die Deutschen und haben die Endspielteilnahme wirklich verdient«, sagte Italiens glücklicher Trainer Marcello Lippi nach dem Abpfiff. Der Coach der »Squadra Azzurra«, die zum 24. Mal in Serie ungeschlagen blieb, hatte vollkommen Recht. Seine Mannschaft, die sich vom Manipulationsskandal in der Heimat und dem oft einsetzenden Pfeifkonzert der Dortmunder Zuschauer nicht beeindrucken ließ, besaß die bessere Spielweise und die größeren Chancen. Der eingewechselte Alberto Gilardino und Teamkollege Gianluca Zambrotta hatten gleich zu Beginn der Verlängerung nur das Torgestänge getroffen.
Die deutsche Elf, bei der für den gesperrten Torsten Frings und Bankdrücker Sebastian Schweinsteiger überraschend Tim Borowski und Lokalmatador Sebastian Kehl in der Startformation standen, konnte lediglich in der zweiten Halbzeit der regulären Spielzeit den Italienern die Stirn bieten.
»Die Enttäuschung ist sehr, sehr groß. Es tut weh, kurz vor Schluss den K.o.-Stoß zu bekommen. Das muss man erst einmal schlucken«, meinte der frustrierte Bundestrainer Jürgen Klinsmann. »Wir hatten alle den Traum, den Titel zu holen. Der ist nicht wahrgeworden. Es wird einige Zeit dauern, bis man das verdaut hat.«
Doch auch ohne die Finalteilnahme haben die DFB-Kicker viel erreicht. Ein ganzes Land stand hinter der Mannschaft. Selbst nach der Niederlage wurden die Akteure mit stehenden Ovationen verabschiedet.
Natürlich wird in den nächsten Tagen viel über die Zukunft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann diskutiert. Der erbat sich Bedenkzeit: »Ich werde das nach der WM erst einmal ein paar Tage sacken lassen und mich mit meiner Familie besprechen.« Die Tendenz geht aber dahin, dass Klinsmann seine »Unvollendete« aus Sicht des DFB fortsetzen soll.

Spiel um Platz drei soll gewonnen werden
Nun soll am Sonnabend in Stuttgart das Spiel um Rang drei gewonnen werden. »Platz drei ist ein lohnendes Ziel«, meinte Tim Borowski. Man darf gespannt sein, ob Klinsmann den Reservisten eine Chance geben wird. Denn danach geht es mit der Qualifikation für die EM 2008 weiter...

Deutschland: Lehmann - Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm - Schneider (83. Odonkor), Ballack, Kehl, Borowski (72. Schweinsteiger) - Klose (111. Neuville), Podolski.
Italien: Buffon - Zambrotta, Cannavaro, Materazzi, Grosso - Camoranesi (90. Iaquinta), Gattuso, Pirlo, Perrotta (104. Del Piero) - Totti, Toni (74. Gilardino).
Tore: 0:1 Grosso (119.), 0:2 Del Piero (120.+1). Schiedsrichter: Ar...

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