Ehrverletzung in vertraulichen Gesprächen mit Dritten nicht beabsichtigt

Wer gegenüber Kollegen den Chef beleidigt, kann nicht gekündigt werden

  • Lesedauer: 2 Min.
Wer im persönlichen Gespräch mit Arbeitskollegen über den Chef lästert, kann nicht wegen Beleidigung gekündigt werden, wenn der Chef davon erfährt.

Die Begründung: Ein Arbeitnehmer ist nicht dazu verpflichtet, ausschließlich positiv über seinen Arbeitgeber zu denken. Das stellte das Arbeitsgericht Essen (Az. 2 Ca 3550/12) klar und gab mit dieser Entscheidung einer Kündigungsschutzklage statt.

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (D-AH) berichtete, war eine Mitarbeiterin über 17 Jahre im Marketing eines mittelständischen Unternehmens beschäftigt. Nach einer Firmenübernahme wechselte auch der Geschäftsführer.

Der Mitarbeiterin, die als Vertraute des geschassten Geschäftsführers galt, wurde das Angebot unterbreitet, unter unveränderten Arbeitsbedingungen in einer anderen Gesellschaft der Unternehmensgruppe zu arbeiten. Der neue Chef stellte sie gleichzeitig frei und erteilte ihr Hausverbot.

Nach einem Monat kündigte er schließlich der Arbeitnehmerin fristlos. In Telefongesprächen mit mehreren Kollegen soll sie den neuen Geschäftsführer als »Heini«, »Pisser« und »hinterfotzig« betitelt haben.

Diese Ehrverletzung rechtfertigte nach Ansicht des Chefs die fristlose Kündigung. Die Mitarbeiterin hingegen bestritt die Äußerungen und wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Essen bestätigte zwar die grundsätzliche Rechtsauffassung des Arbeitgebers - eine Ehrverletzung liege jedoch in diesem Fall nicht vor. Selbst wenn man davon ausginge, die Vorwürfe wären wahr, würden sie keine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Denn die Ehrverletzung einer Beleidigung setze voraus, dass der Beleidigte von den Lästereien erfahren muss. Davon ging die Gekündigte aber in vertraulichen Telefonaten mit langjährigen und teilweise sogar befreundeten Kollegen nicht aus. Die Arbeitnehmerin konnte mit deren Verschwiegenheit rechnen.

»Eine grobe Beleidigung kann im Einzelfall eine fristlose Kündigung rechtfertigen, wenn die Äußerungen etwa das Betriebsklima massiv beeinträchtigen oder bewusst die Autorität eines Vorgesetzten untergraben wird«, erklärt der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Thorsten Modla von der Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.deutsche-anwaltshotline.de) die Rechtslage. In diesem Fall aber waren die Beleidigungen nicht nach außen gerichtet. Daher ist auch eine darauf gestützte Kündigung unwirksam. D-AH/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.