Brandstifter auf der NPD-Liste

Unter den Kandidaten der Neonazipartei für die Kommunalwahl tummeln sich Kriminelle

  • Sven Kames
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Stadt Joachimsthal bewirbt sich Thomas Haberland um ein kommunales Mandat. Etwas bieder lächelt der Mittvierziger auf einem Werbefoto: roter Pulli, dunkelrandige Brille, Kurzhaarschnitt. Die Partei, für die er antritt, ist die NPD. Die Neonazipartei setzt bei ihrem Wahlkampf für den Urnengang am 25. Mai wie so oft auf das Thema innere Sicherheit: Gegen Kriminalität, für Recht und Ordnung wolle man sich einsetzen. Ein Blick in NPD-Texte verrät, dass die NPD das Kriminalitätsthema vor allem rassistisch auflädt: »Ausländer«, »Flüchtlinge«, »Asylmissbrauch« sind für sie die Ursachen eigentlich aller Probleme.

Nur: Unter den NPD-Kandidaten tummeln sich selbst allerhand Kriminelle. Thomas Haberland zum Beispiel. 1992 setzte er mit einem Komplizen die jüdische Häftlingsbaracke in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Sachsenhausen in Brand. Das Verbrechen sorgte damals international für Empörung. Später wurde Haberland für seine Brandstiftung zu drei Jahren Haft verurteilt. Vor Gericht erklärte er, dass er sich aus der rechten Szene zurückgezogen habe. 2012, zum 20. Jahrestag des Brandanschlags, war bei einer Konferenz in Sachsenhausen an das damalige Geschehen erinnert worden. »Das war ein gezielter antisemitischer Anschlag, bis dahin der schwerste dieser Art in Brandenburg«, resümierte Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.

Anna Spangenberg, Geschäftsführerin des brandenburgischen Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ist von der aktuellen Nominierung Haberlands nicht überrascht: »Die NPD ist durch und durch neonazistisch geprägt. Dort tummeln sich Kriminelle.« Die Aufstellung solcher Kandidaten offenbare, welche Ziele die Partei jenseits aller Wahlkampfrhetorik tatsächlich verfolge.

Indes deutet nicht nur der Wahlantritt von Haberland auf eine Durchdringung der Partei mit militanten Neonazis hin. In Bad Belzig tritt Pascal Stolle für die NPD an. 1997 war er an einem brutalen Überfall auf Musiker einer Punkband in Pritzwalk beteiligt. Es war ein Wunder, dass die Opfer den Angriff überlebten. Dies ließ sich beim folgenden Gerichtsprozess erahnen. An einer Tatwaffe, einem Baseballschläger, fanden sich 64 Spuren: Hautfetzen, Blut, Dellen. Stolle erhielt eine fünfjährige Haftstrafe. Schon damals hatte Stolle, in dessen Zimmer Nazidevotionalien gefunden wurden, einschlägige Vorstrafen. Jetzt ist Stolle bei der NPD, nicht nur als Kandidat auf dem Papier, sondern auch als Redner. Bei einer rassistischen Kundgebung im März beklagte Stolle die angebliche Bevorteilung von Asylbewebern gegenüber »deutschen Familien«. An seiner Seite agitierte Maik Eminger gegen einen angeblich drohenden »Volkstod«. Emingers Bruder André steht zurzeit wegen der NSU-Verbrechen in München vor Gericht.

Michel Müller, Kandidat im Havelland, ist verurteilt wegen Beihilfe zu versuchtem Mord: Er war zum Jahreswechsel 1999/2000 an einer Hetzjagd auf pakistanische Flüchtlinge beteiligt. Müller, Jahrgang 1980, erhielt eine mehrjährige Haftstrafe. Ebenfalls im Havelland tritt Benjamin Kuhirt, Jahrgang 1984, an. Er war beim »Sturm 27«, einer militanten Kameradschaft, die 2005 vom Innenministerium verboten werden musste. Auch Andreas Rokohl, Kandidat in Bernau, hat Ermittlungsverfahren auf seinem Konto. Für die Drohung »Dich hat man damals vergessen« gegen einen NPD-Kritiker wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt.

Beim Verein Opferperspektive, der Betroffene rechter Gewalt berät, ist man über die Wahlliste der NPD beunruhigt. »Wie dreist die NPD mit Gewalttätern wirbt, ist erschreckend«, erklärt Mitarbeiterin Ulrike Imhof. »Bleibt zu befürchten, dass es im Wahlkampf zu Gewalttaten durch Personen der NPD kommen könnte«, so Imhof weiter. Sie verweist auf den Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr. In Eisenhüttenstadt hatten im August mehrere NPD-Kundgebungsteilnehmer Gegendemonstranten attackiert. Vier Personen wurden nach Polizeiangaben verletzt.

Svenna Berger vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum in Berlin weist ergänzend hin auf die Brandenburger Melange von NPD und neuer, als besonders militant geltender Nazipartei »Die Rechte«. Die Bundes-NPD hält zur Konkurrenzgründung »Die Rechte« betont Distanz. Anders in Brandenburg. »In trauter Eintracht treten Rechte-Mitglieder in Brandenburg mit NPD-Ticket an«, sagt Berger. Ein Beispiel ist Robert Gebhardt, einst Anführer der militanten »Kameradschaft Märkisch Oder Barnim«, nun Kreisvorsitzender von »Die Rechte« und gleichzeitig Kreistagskandidat für die NPD in Märkisch-Oderland.

Auch bei den Landtagswahlen im September tritt die NPD an - mit dem erklärten Ziel, den Einzug ins Parlament zu schaffen. In der jüngsten Umfrage kam sie allerdings auf lediglich zwei Prozent der Stimmen. Stolz präsentierte die NPD vor einigen Wochen ihren Wahlkampfleiter: Der Berliner Sebastian Schmidtke ist nicht nur Landesparteichef in der Hauptstadt, sondern auch wegen diverser Delikte vorbestraft. Schmidtke ist für robuste Wahlkampfmethoden bekannt. Bereits beim niedersächsischen Wahlkampf 2013 war der Neonazi als Wahlhelfer unterwegs und soll bei einer Kundgebung auf einen Gegendemonstranten eingeschlagen haben. Das Verfahren wurde gegen eine Geldzahlung eingestellt.

Im laufenden Brandenburger Superwahljahr will die NPD die Zahl ihrer kommunalen Mandate verdoppeln - derzeit sind es 27. Eine Million Flugblätter sollen Parteiangaben zufolge verteilt werden. Im Jahresverlauf will die Partei zudem insgesamt 100 Kundgebungen abhalten. In Märkisch Buchholz hofft die Partei sogar, die Bürgermeisterwahl zu gewinnen. Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit will die Propagandaoffensive kontern. Aktionskits mit Aufklärungsmaterial und Protestutensilien werden kostenlos und landesweit verteilt.

Schon bei der Kommunalwahlen 2008 hatte eine NPD-Kandidatur für Aufregung gesorgt. Alexander Bode, damals Kandidat in Guben, war 1999 Haupttäter bei der tödlich verlaufenen Hetzjagd auf den algerischen Asylbewerber Farid Guendoul alias Omar Ben Noui.

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