Kampf um die NRW-Rathäuser
Im bevölkerungsreichsten Land hat der 25. Mai besondere Bedeutung
Eine Abstimmung über Landespolitik sind Kommunalwahlen nicht. Symbolträchtig ist der Kampf um rote und schwarze Wählerhochburgen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen aber immer. Wenn am 25. Mai über 14 Millionen Menschen zwischen Rhein und Weser ihre Kommunalparlamente wählen, kann Rückenwind oder Gegenstrom aus Düsseldorf zumindest Einfluss haben - selbst wenn Politologen in Kommunalwahlen nur bedingt auch einen landespolitischen Stimmungstest erkennen.
Neben den Rheinländern und Westfalen sind am Tag der Europawahl auch die Bürger in neun anderen Bundesländern zu Kommunalwahlen aufgerufen: In Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hamburg und im Saarland. Die Bayern haben das schon hinter sich: Dort wurden Kommunalparlamente und Bürgermeister im März gewählt.
Die Kommunalwahlen 2009 gewann in Nordrhein-Westfalen mit 38,6 Prozent die CDU - allerdings mit deutlichen Einbußen: minus 4,8 Prozentpunkte. Unter anderem musste sie die Oberbürgermeisterposten in Köln und Essen an die SPD zurückgeben; dafür verlor die SPD unter anderem Aachen knapp an die CDU. Die Sozialdemokraten fuhren mit nur 29,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Kommunalwahl in NRW ein: minus 2,3 Prozentpunkte.
Immerhin haben sie in den besonders heiß umkämpften kreisfreien Städten noch 14 Oberbürgermeister, die CDU neun. Verbessern konnten sich im Vergleich zur Kommunalwahl 2004 Grüne, FDP und LINKE. Die Grünen holten mit 12,0 Prozent ihr bestes Kommunalwahlergebnis in Nordrhein-Westfalen: plus 1,7 Prozentpunkte. Die FDP legte um 2,4 Punkte auf 9,2 Prozent zu und die LINKE um 3,0 Punkte auf 4,4 Prozent. dpa/nd
In ihrer Hochburg Nordrhein-Westfalen will die SPD jedenfalls nichts anbrennen lassen und schickt mit Ministerpräsidentin und Landesparteichefin Hannelore Kraft ihr stärkstes Zugpferd quer durch das Land. Wenn die Bürger Ende Mai abstimmen, geht es um Konkreteres: um Schulen, Kita- und Arbeitsplätze, bezahlbare Mieten und vieles, wofür Landespolitik Rahmenbedingungen setzt.
Ein heißes Eisen konnten SPD und Grüne vor den Osterferien gerade noch abräumen: der erbitterte Streit, wie Land und Kommunen die Kosten für den Unterricht von Behinderten in Regelschulen aufteilen. Auch die geplante Zwangsanschaffung teurer grafikfähiger Taschenrechner für die gymnasiale Oberstufe wurde nach geharnischten Reaktionen von Eltern und Fachleuten wieder abgeblasen.
Allen Kitas verspricht die rot-grüne Landesregierung mehr Geld - das soll noch vor der Sommerpause in einem geänderten Kinderbildungsgesetz verankert werden. Und im Braunkohlegebiet Garzweiler bleiben einige Ortschaften von Umsiedlung verschont - auch davon erhoffen sich rote und grüne Wahlkämpfer vor Ort Rückenwind.
Unter dem Motto »Nordrhein-Westfalen nicht länger unter Wert regieren« zieht indes die CDU in den Kommunalwahlkampf. In den ersten vier Monaten seit Landesparteichef Armin Laschet auch den Chefsessel der Landtagsfraktion übernommen hat, hat der 53-Jährige erst wenige landespolitische Akzente gesetzt. Umso häufiger meldete er sich in Interviews zu Wort - gerne auch zu Syrien und zur Krim-Krise. Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) sieht in Laschet einen »Witterungspolitiker«, der keine klare Linie habe. Es könnte aber durchaus sein, dass Laschet eine gute Nase mit seiner Ankündigung beweist, das umstrittene neue Hochschulgesetz der Landesregierung auf seine Verfassungsfestigkeit abzuklopfen.
Wie man bundes- wie landespolitisch angreifen kann, muss der FDP-Mann Christian Lindner in seiner Dreifach-Rolle als Bundes-, Landes- und Landtagsfraktionschef täglich beweisen. Der 35-Jährige wird als einer der letzten prominenten FDP-Politiker, die noch eine parlamentarische Bühne haben, zweifellos auch im Kommunalwahlkampf Schützenhilfe leisten müssen. Auf Bundesebene kam die FDP unter Lindner in einer Umfrage im April erstmals seit langem wieder auf fünf Prozent.
Die NRW-Grünen wollen bei der Kommunalwahl drittstärkste Kraft hinter CDU und SPD bleiben. Dabei kämpfen sie auf eigene Rechnung. Eine pauschale Bündnisempfehlung zugunsten der SPD in den Kommunen werde es nicht geben, stellte Landesparteichefin Monika Düker klar.
Kämpfen müssen auch die Piraten. Während sie im Landtag begonnen haben, sich zu professionalisieren und mit Initiativen - etwa gegen die Grafik-Taschenrechner - punkten konnten, ist die Landespartei noch eine unbekannte Variable. Immerhin hat sie im April beschlossen, was sie sein will: eine sozialliberale Partei.
Die NRW-LINKE, die nicht im Landtag vertreten ist, hat gemeinsam mit der Bundespartei und 20 verschiedenen Kreisverbänden Zeitungen zur Europa- und den Kommunalwahlen am 25. Mai entwickelt. Die Linkspartei hat sich in etlichen Orten durchaus gute Chancen bei der Kommunalwahl ausgerechnet. dpa/nd
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