Null Bock auf Knast - Neonazis tauchen ab
Hessische Landesregierung kennt nicht einmal die genaue Anzahl der verschwundenen rechtsextremen Täter
In der vergangenen Woche veröffentlichte die dpa eine online durchgeführte, repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Gefragt wurde unter anderem nach der Wirkung des vor rund einem Jahr in München begonnen Prozesses gegen Mitglieder und Helfer des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).
63 Prozent der Befragten gaben an, dass sie nicht mehr über Taten und Hintergründe der NSU-Morde wüssten als zu Beginn der Verhandlung. 21 Prozent meinten, der Prozess werde dem Aufklärungsauftrag gerecht.
Das spricht nicht für ein solides Vertrauen in den Aufklärungswillen von Innenbehörden und Justiz. Zumal drei Viertel der Bürger den Rechtsextremismus als gefährlich oder sehr gefährlich einschätzen. 76 Prozent glauben, dass sich eine rechtsterroristische Mordserie wie die des NSU wiederholen könnte.
Derartige Befürchtungen werden genährt durch Nachrichten über untergetauchte Straftäter aus dem Rechtsaußen-Milieu. Die letzte Auskunft der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion im Oktober 2013 besagt, dass deutschlandweit nach 268 Rechtsextremen gefahndet wurde. Nun hat das Landeskriminalamtes Thüringen seine Fahndungsbegehren aktualisiert. Derzeit würden zwölf Personen, gegen die insgesamt 13 Haftbefehle vorliegen, gesucht. In Sachsen-Anhalt sind 17 Nazis als flüchtig registriert, in Sachsen rechnet man mit zehn Abgetauchten. Das operative Abwehrzentrum des Freistaates versucht zu beruhigen: Kein Gesuchter werde wegen terroristischer Aktivitäten gesucht.
Auch die Hessische Landesregierung stellte bislang in Abrede, dass es in ihrem Verantwortungsbereich eine feste Untergrundszene gewaltorientierter Neonazis gibt. Nun muss sie nach einer Anfrage der Linksfraktion im Wiesbadener Landtag einräumen, dass die Sicherheitsbehörden jahrelang im Blindflug unterwegs waren. Die Anzahl der vor November 2013 Abgetauchten kann man angeblich nicht benennen. Allein seit November 2013 haben sich aber über 20 Neonazis der Vollstreckung offener Haftbefehle wegen schwerster Delikte wie Bandendiebstahl und gefährlicher Körperverletzung entzogen. Doch zur Größe des Umfeldes der Untergetauchten lasse sich angeblich nichts Konkretes sagen.
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