Pfiffe, die leise nachhallen

Frankreichs alte Helden stehen dank Zidanes Elfmetertor nach einem 1:0-Pflichtsieg über Portugal im Endspiel

  • Jirka Grahl, München
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Die beiden Protagonisten tauschten am Ende eines denkwürdigen Halbfinalmatches die Trikots: Zwei Freunde, zwei einstige Weltfußballer, zwei der einst »Galaktischen« von Real Madrid, zwei Männer mit stets ernsten Mienen, zwei Mannschaftskapitäne, deren Stern vor dieser WM am Sinken schien. Der eine, Zinedine Zidane (34), lief nun im weinroten Trikot seines Freundes in die Kabine - in dem Wissen, dass sein letztes Spiel für die Equipe Tricolore das WM-Finale sein würde. Der andere hingegen, Luis Figo (33), musste mal die Möglichkeit in Betracht ziehen, ohne einen Titel mit dem Nationalteam abzutreten, wenn es soweit ist.
Der stets melancholische Blick scheint den Verlauf von Figos Karriere vorherzubestimmen wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Frankreich 1 - Portugal 0 stand oben auf der Anzeigetafel, und in der einen Ecke der mit 66 000 Fans gefüllten Münchner WM-Arena sangen die Fans in Blau die Marseillaise, während in der anderen noch einmal trotzig die rot-grünen Schals geschwenkt wurden. Das WM-Finale bleibt für Portugal weiterhin unerreicht, während Frankreich zum zweiten Mal nach dem WM-Titel vor acht Jahren im Endspiel steht, diesmal im WM-Klassiker gegen Italien am Sonntag um 20 Uhr in Berlin.
Den Siegtreffer für Frankreichs alternde Helden hatte - natürlich - Zinedine Zidane erzielt, ganz sicher per Foulelfmeter gegen Portugals Strafstoßtöter Ricardo, nachdem zuvor Ricardo Carvalho den Franzosen Thierry Henry im Strafraum zu Fall gebracht hatte. In der 33. Minute war das. Dieser Strafstoß blieb die größte Leistung der Franzosen in diesem Match.
Waren sie noch zu erschöpft vom Viertelfinalspiel gegen Brasilien, oder gingen sie mit Blick aufs Finale schon so rational mit den Kräften um? In jedem Fall war es schlicht zweckorientierter Fußball, abgekühlt mit Thierry Henry als einsame Spitze, mit dem sie sich fortan aufs Halten dieses knappen Vorsprungs beschränkten, während die leidenschaftlich kämpfenden Portugiesen - ebenfalls mit nur einem Stürmer (recht wirkungslos: Pauleta) - viel öfter den Ball und einige Chancen besaßen.
Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari stand das ganze Spiel in der Coaching Zone und gestikulierte: Ran, ran, winkte er Deco und Kollegen zu. Nein, was ist das? - breitete er oft seine Arme aus. Gelb, Gelb! - zeigte er in Richtung Schiedsrichter an, wann immer einer in Portweinrot zu Boden sank.
Vielleicht hätte es sich für die Portugiesen gelohnt, nicht bei jeder Aktion einen Freistoß schinden zu wollen - das Publikum jedenfalls war genervt und pfiff den fantastischen Fußballer Cristiano Ronaldo ab dem ersten Ballkontakt gnadenlos aus. Pfiffe mit Nachhall. Immer wieder wenn der Ball seinen Zugriffsbereich verließ, sank der Hüne aus Manchester wie vom Blitz getroffen zu Boden, um dann mit erschrockener Miene zum Referee zu blicken. Doch Jorge Larrionda aus Uruguay ließ sich nur selten täuschen, während Ronaldo immer wirkungsloser wurde. Die größte Chance Portugals vergab am Ende Fernando Meira, als er in der Nachspielzeit den Ball volley auf die Tribüne ballerte.
Nun trifft Meira im Stadion seines Arbeitgebers VfB Stuttgart am Sonnabend auf die DFB-Elf im Spiel um Platz drei. »Wir haben alles gegeben«, klagte Figo. »Jetzt wollen wir auf das Spiel gegen Deutschland schauen.« Der aus Brasilien stammende Scolari meinte vieldeutig: »Wir wissen, wie südamerikanische Schiedsrichter ein Spiel killen können.«
Wahrhaft tödliche Pfiffe kamen jedoch nicht vom Schiedsrichter, sondern von Frankreichs Trainer Raymond Domenech in der Pressekonferenz. Mit der Genugtuung des WM-Finalisten pfiff der oft Gescholtene leise die italienische Hymne vor sich hin. Vorfreude, diebische Vorfreude ...

Portugal: Ricardo - Miguel (62. Paulo Ferreira), Fernando Meira, Ricardo Carvalho, Nuno Valente - Costinha (75. Hélder Postiga), Maniche - Figo, Deco, Cristiano Ronaldo - Pauleta (68. Simão).
Frankreich: Barthez - Sagnol, Thuram, Gallas, Abidal - Vieira, Makelele - Ribéry (72. Govou), Zidane, Malouda (69. Wiltord) - Henry (85. Saha).
Tor: 0:1 Zidane (33./Foulelfmeter). Schiedsrichter: Lar...

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