Helgoland und das harte Brot des Engagements
Sieben Stunden soll sich der LINKE-Parteitag für Satzungsfragen Zeit nehmen. Es geht um die Aufgaben der Parteispitze - und das Stimmrecht der Zusammenschlüsse
Es könnte ein langer Freitag werden im Berliner Velodrom, einer für Experten. Wenn Delegierte über Satzungen diskutieren, geht es mal um Feinheiten des Parteiengesetzes, mal um Details der Beitragszahlung. Der LINKE-Parteitag soll diesmal gar befinden, ob es künftig erlaubt sein soll, »einen Kreisverband Helgoland abweichend« von den sonstigen Regeln zu bilden - was ohne Zweifel wichtig ist. Aber auch eher spröde.
Dass der Tagesordnungspunkt »Satzung« im Vorfeld dennoch für etwas Aufsehen gesorgt hat, liegt vor allem an zwei Forderungen. Die eine betrifft Größe und Aufgaben des Vorstands, die andere das Stimmrecht der Zusammenschlüsse auf Parteitagen.
Das Forum demokratischer Sozialismus hat beantragt, den bisher 44-köpfigen Vorstand auf 30 Mitglieder zu reduzieren. Begründet wird dies unter anderem damit, dass bei Beibehaltung der bisherigen Größe »eine vernünftige Diskussion« kaum möglich sei. Ein weiterer Antrag begehrt, den geschäftsführenden Vorstand auf die Erledigung der »laufenden organisatorischen Aufgaben« festzulegen - bisher gehören auch »politische« dazu. Außerdem will die reformsozialistische Strömung die geschäftsführende Parteispitze auf die Vorsitzenden, die Stellvertreter, den Schatzmeister und den Bundesgeschäftsführer beschränken; derzeit kommen noch weitere, nicht namentlich auf dem Parteitag gewählte Vorstandsmitglieder dazu.
Bisher ist zudem die Zahl der Vize auf mindestens zwei oder aber »mehrere stellvertretende Parteivorsitzende« festgelegt. Damit ist praktisch möglich, etwa sechs statt der derzeit vier LINKE-Vize zu wählen. Damit will der sächsische Landesvorstand Schluss machen und in der Satzung die Zahl der Stellvertreter auf vier begrenzen. Angesichts der bereits vorliegenden fünf Bewerbungen für die Vize-Ämter und Überlegungen, deshalb die engere Führungsspitze im Rahmen der bisherigen Satzung zu erweitern, dürfte auch dieser Antrag rege debattiert werden.
Wenn es überhaupt dazu kommt. Denn die Strömungen Geraer Sozialistischer Dialog und Antikapitalistische Linke haben beantragt, alle »Satzungsänderungen« komplett auf einen nächsten Parteitag zu vertagen. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die gewonnene Zeit »für die gründliche Behandlung« anderer, politischer Anträge verwendet werden kann. Angesichts bevorstehender Wahlen sei es »politisch fahrlässig«, sieben Stunden Satzungsfragen zu beraten - diese könnten »in aller Ruhe und gebotenen Gründlichkeit auf einer späteren Tagung behandelt werden«. Damit wäre auch eine Forderung auf Eis gelegt, die schon seit Jahren verschoben wird und bei der es um die Rolle und die Rechte der Zusammenschlüsse der Linkspartei geht - die Fachgruppen und politischen Strömungen. 15 von diesen haben in einem Offenen Brief davor gewarnt, die beantragten Satzungsänderungen würden die Rechte der Zusammenschlüsse »elementar infrage stellen bzw. außer Kraft setzen«.
Worum es geht? Im Kern um die Frage, ob und wenn ja mit welchem Stimmrecht die Zusammenschlüsse eigene Delegierte zu den Parteitagen entsenden können. Derzeit sind dies insgesamt maximal 50, je nach Größe kann ein Zusammenschluss zwei bis acht Delegierte wählen. In den Zusammenschlüssen sind derzeit rund 14.000 Mitglieder organisiert.
Der Landesverband Sachsen hat beantragt, dass die Zusammenschlüsse künftig zwar weiter Delegiertenmandate erhalten, auch mit beschließender Stimme - allerdings sollen Satzungs-, Finanz- und Personalfragen ausgenommen werde. Das Forum demokratischer Sozialismus geht noch einen Schritt weiter und will die Delegiertenmandate der Zusammenschlüsse generell auf beratende Stimmen beschränken.
Begründet wird dies unter anderem demokratietheoretisch: Die Mitglieder der Zusammenschlüsse haben faktisch mehr Stimmgewicht auf einem Parteitag als »normale« Mitglieder, da diese ihre Delegierten nur in den Gliederungen bestimmen dürfen - während die in Zusammenschlüssen zusätzlich noch ihre Fach- und Strömungsdelegierten wählen können. Darüber hinaus gibt es eine wenn man so will: parteikulturelle Argumentationsebene. Welche Rolle spielen die Zusammenschlüsse gegenüber der Gesamtpartei, welchen Einfluss sollen sie haben? Sollen sie eher eine »Beratungsfunktion gegenüber Partei und Bundesparteitag« ausfüllen, wie das Forum demokratischer Sozialismus es formuliert? Oder sollen sie »spezifische Interessen und Politikfelder der Partei« abbilden, wie es die Autoren des Offenen Briefs formulieren, wofür sie auch eine Stimme haben müssten.
Dass die in den Zusammenschlüssen organisierten LINKE-Mitglieder mehr Einfluss auf die Delegiertenauswahl haben, verteidigen die Befürworter der bisherigen Regel: »Wer sich inhaltlich engagiert«, so etwa der Bremer LINKE-Politiker Christoph Spehr, »isst in einer Partei sowieso schon ein etwas härteres Brot.«
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