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Die LINKE wählt ihren Vorstand: Spannung verspricht die Besetzung der Vizeposten
Als an einem Märzwochenende dieses Jahres aus einer Sitzung des LINKE-Vorstands die Kunde drang, die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger würden ebenso erneut für ihre Ämter kandidieren wie der Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, trat diese Neuigkeit hinter eine andere etwas zurück: die Ankündigung von Sahra Wagenknecht, sich nicht erneut für die Parteiführung zu bewerben. Sie wolle sich »in Zukunft voll auf meine Aufgaben in der Fraktion konzentrieren«, hatte die 44-Jährige damals erklärt. Und damit praktisch schon den Blick auf die Frage gerichtet, die bei den Vorstandswahlen auf dem am Freitag gestarteten Berliner Parteitag etwas mehr Spannung verspricht: die Besetzung der Stellvertreterposten.
Vier amtieren dort bisher, neben Wagenknecht die Bundestagsabgeordneten Caren Lay und Axel Troost sowie der Abrüstungsexperte Jan van Aken. Da auch der nicht mehr für die LINKE-Spitze kandidiert - aus einerseits privaten Gründen, andererseits, um sich noch mehr auf seine Arbeit gegen Waffenexporte zu konzentrieren -, werden mindestens zwei Vize neu gewählt. Die Satzung, zu der Änderungsanträge vorliegen, sieht bisher mindestens zwei oder aber mehrere Stellvertreter vor, eine Höchstzahl ist nicht genannt, wird aber etwa von der Spitze der sächsischen LINKEN bevorzugt.
Mit Dominic Heilig und Janine Wissler hatten sich bereits im Frühjahr zwei jüngere LINKE-Politiker ins Rennen begeben: der eine Jahrgang 1978, vor allem europapolitisch profiliert und »für eine prononcierte linksreformerische Politik« stehend, die andere 1981 geboren, als hessische Fraktionsvorsitzende auch schon mit rot-rot-grünen Erfahrungen - sich freilich als Vertreterin des »linken Flügels« bezeichnend. Dass Wissler sozusagen als Nachfolgerin von Wagenknecht dasteht, liegt einerseits in der Strömungslogik der Linkspartei, wird von der Politikwissenschaftlerin, die der »Sozialistischen Linken« angehört, allerdings gar nicht so gern gehört: Sie vergleiche sich nicht mit der Fraktionsvizevorsitzenden und müsse ihre eigene Rolle finden, hat sie kurz vor dem Parteitag erklärt.
Dass Wissler eine Politikerin sein könnte, mit der die LINKE »den Westen zurückerobern« will, wie es die »Welt« gerade formulierte, mag sein. Ihre Kandidatur ist zumindest aber Ausdruck eines kleinen Generationswechsels - es rücken Politiker in der Partei vor, deren politische Biografie von Wende und Wiedervereinigung kaum noch geprägt ist. Dies gilt auch für Heilig, der auf dem Hamburger Europaparteitag bei der Listenwahl knapp Fabio De Masi unterlag und dessen Wahl vom Forum demokratischer Sozialismus unterstützt wird. Unlängst hat dann auch noch Tobias Pflüger seinen Hut in den Ring geworfen. Der frühere Europaabgeordnete der Partei war ebenfalls im Februar in Hamburg bei der Listenwahl unterlegen - gegen den derzeitigen EU-Parlamentarier Helmut Scholz. Er stehe »für eine kämpferische LINKE mit klarem friedenspolitischen Profil«, sagte Pflüger zu seiner Bewerbung, die unter anderem vom Landesverband Nordrhein-Westfalen unterstützt wird.
Auch wenn es diese Imperative für die personalpolitischen Entscheidungen natürlich immer noch gibt: So streng wie einst in der fusionierten LINKEN werden die Ämter nicht mehr nach Ost und West sowie nach den Herkunftsparteien ausgemendelt. So sehr hier wie dort auch auf die politische Tradition von PDS und Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit Wert gelegt wird, so häufig trifft man doch in der Partei die Auffassung an, diese Raster würden sich überleben. Dass zum Beispiel als Schatzmeister der frühere Brandenburger Landeschef Thomas Nord antritt, obgleich der bisherige Amtsinhaber Raju Sharma wieder kandidiert, hat wohl weder mit Ost-West- noch mit Strömungsfragen zu tun.
Bis kurz vor dem Parteitag lagen insgesamt 70 Bewerbungen für den LINKE-Vorstand vor. Der umfasst nach der bisherigen Satzung 44 Köpfe - ein Antrag zur Änderung der Satzung hatte sich im Vorfeld für eine Verkleinerung auf 30 stark gemacht, dies komme der Qualität der dort geführten Debatten zugute. Von den bisherigen Mitgliedern im Vorstand wollen 28 erneut in das Gremium gewählt werden, vier sozusagen mit Aufstiegswunsch. Dass sich unter den Kandidaten für die LINKE-Führung mehr Männer als Frauen finden, mag parteiensoziologisch interessant sein - die Spitze der LINKEN, so viel ist sicher, bleibt quotiert.
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