Kein Ruhmesblatt für das Parlament
Velten Schäfer über die späte Gerechtigkeit für Arbeit in den Weltkriegsghettos
Selten war so viel Einigkeit im Bundestag wie am Freitag bei der ersten Debatte über ein neues Gesetz zur sogenannten Ghetto-Rente. Die Berechtigten sind hochbetagt, fast täglich dürfte ihre Anzahl sinken. Man kann daher tatsächlich nur hoffen, dass diese Novelle schnell in Kraft tritt.
Doch gibt es keinerlei Grund für Schulterklopfen - oder gar für jene Schuldzuweisungen an Justiz und Bürokratie, in die sich etliche Parlamentarier ergingen. Es ist zwar tatsächlich skandalös, dass Sachbearbeiter und Richter bis zu einem Grundsatzurteil von 2009 in pedantischen Prüfungen über 90 Prozent der Anträge ablehnten, doch beruhte diese zynische Praxis auf einem erst 2002 verabschiedeten Gesetz. Darüber hinaus waren die Volksvertreter auch auf diese schlecht gemachte Regelung nicht selbst gekommen; sie reagierten schon damit lediglich auf das Bundessozialgericht. Bis dahin meinte der Gesetzgeber nämlich, Arbeit im Ghetto sei nicht rentenrelevant, obwohl seinerzeit Beiträge kassiert worden waren.
Und schließlich ist es alles andere als ein Ruhmesblatt, dass seit besagtem Grundsatzurteil von 2009 erneut fünf Jahre vergehen mussten, bis nunmehr die Restriktionen der Regelung bereinigt werden sollen. Gerade der Union, die noch 2013 eine von der Opposition vorgeschlagene Korrektur aus Parteienkalkül abgeschmettert hatte, hätte am Freitag etwas Demut gut gestanden.
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