Großes Finale in Varanasi
Letzte Phase der indischen Parlamentswahl in der heiligen Stadt am Ganges
In Varanasi treten Narendra Modi, Spitzenkandidat der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP), und Arvind Kejriwal, Kandidat der Aam Aadmi Party (Partei des kleinen Mannes - AAP), in einem spannenden Finale gegeneinander an. Wer ergattert den Abgeordnetensitz?
Die 1,2 Millionen Einwohner der Stadt am Ganges, der heiligsten Stätte des Hinduismus, die auch als Benares und Kashi in den Geschichtsbüchern steht, hat einen Wahlkampf Davids gegen Goliath erlebt.
Der 63-jährige »Goliath« Modi, seit zehn Jahren Chefminister des Unionsstaates Gujarat, ließ sich am 24. April und am 8. Mai in live übertragenen Triumphzügen, bejubelt von Zehntausenden Anhängern, durch die Straßen chauffieren. »Mutter Ganga« habe ihn hierher gerufen, teilte er der Menge mit. Es war ein sorgfältig inszeniertes Spektakel. Die Menge skandierte: »Modi Premier! Du gehörst nach Delhi!«
Zuvor bei seinen insgesamt 437 Wahlmeetings hatte »NaMO« immer wieder seine Gegner scharf attackiert, besonders die Gandhi-Dynastie. Der »Modi-Tsunami«, wetterte er, »wird die Kongresspartei zerschmettern.« Seine Partei dagegen sei eine Familie und er kein Diktator, wie böswillige Kritiker behaupteten. Dass er in Gujarats Regierung laut »The Hindu« 14 Ressorts verwaltet, steht auf einem anderen Blatt. Ein Journalist aus diesem Unionsstaat urteilte, Modi sei »der Staat, die Partei, die Regierung«. Und nun wolle er das auch im nationalen Maßstab werden. Er betrachte sich als Heilsbringer, der dem Volk eine korruptionsfreie Regierung bescheren und das Land zu Wachstum und Prestige führen wird.
Amit Shah, Modis engster Vertrauter und Berater, hatte für einen in solchen Ausmaßen bisher unbekannten Personenkult gesorgt. Die Werbekampagne soll rund 100 Milliarden Rupien gekostet haben, 8,2 Milliarden Euro. Von März bis April hatte Modi auf fünf großen Fernsehkanälen durchschnittlich 33 Prozent Anteil an den Nachrichtensendungen, in der ersten Maiwoche über 40 Prozent. In über 100 Büchern, ungezählten Videos, Filmen, Comics wurde der »König der Hindu-Herzen« gepriesen, sein Aufstieg vom Teeverkäufer zum Chefminister Gujarats und zum künftigen Premier Indiens heroisiert. Der blutige Fleck auf seiner Weste seit den Massakern an Muslimen im Jahre 2002 wird dabei geflissentlich übersehen, die Befürchtung, er könne zum Spalter der Nation werden, der das Konzept von »Einheit in der Vielfalt« gefährdet, als Panikmache abgetan.
Der 45-jährige »David« Kejrawal, Chef der erstmals zu Parlamentswahlen angetretenen AAP (Partei des kleinen Mannes), stellte sich dem scheinbar übermächtigen BJP-Politiker gezielt. Schon im November vorigen Jahres hatte Arvind Kejriwal für eine Riesenüberraschung gesorgt, als er bei lokalen Wahlen in Delhi die amtierende Chefministerin besiegte und seine Partei sogar die Regierung übernahm. Angst vor großen Namen hat der »Kreuzritter« gegen die Korruption nicht. Auch wenn ihn Modi anfangs ignorierte, später verspottete, als »Agent Pakistans« verunglimpfte, als Feigling und Umfaller betitelte, weil Kejriwal nach 49 Tagen als Chefminister in Delhi das Handtuch werfen musste, nachdem ihn die BJP und die Kongresspartei vereint blockiert hatten, bereiste er das Modi-Imperium Gujarat und machte dessen soziale Schwachstellen öffentlich.
In Varanasi beließ es Kejrawal nicht bei Umzügen durch die Stadt, sondern kampierte dort 20 Tage, zog mit seinem Team von Haus zu Haus, sprach mit den Bürgern und machte auch um die ländliche Umgebung keinen Bogen. Zumindest die Muslime, rund 30 Prozent der Bevölkerung des Varanasi-Distrikts, zeigten sich davon beeindruckt. Ob es sich in Stimmen niederschlägt, bleibt abzuwarten.
Für David Kejriwal wäre es schon ein Erfolg, wenn er Goliath Modi nur knapp unterliegen würde. Damit blieben er und seine Partei starke Akteure auf der politischen Bühne. Bei einem Sieg würde er zum Helden der Wahl 2014. Modis Selbstvertrauen würde in diesem Fall erschüttert, auch wenn der BJP-Bewerber seine zweite Kandidatur im heimischen Vadodara gewiss mit Bravour bestehen und ins Parlament einziehen wird.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.