Bis zum würdigen Ende

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Die Fassung über die Niederlage des deutschen Wunderteams dürften die meisten Mitbürger inzwischen wiedergewonnen haben. Nun aber gilt es, Haltung zu bewahren und der ganzen Welt die Deutschen als großartigste und fairste Sportnation der Erde und aller Zeiten zu präsentieren. Was aber ist besser dazu geeignet als das morgige WM-Endspiel! Natürlich wissen wir, dass der wahre Champion, der Weltmeister der Herzen, infolge einer Verkettung dubioser Umstände, leider nicht unter den Finalisten weilt. Dies sollte uns aber nicht daran hindern, mit brennendem Interesse und klopfendem Herzen dem Finale entgegenzufiebern und es mit Gefühlsausbrüchen zu begleiten. Zweifellos nämlich werden die Völker der Welt unser Verhalten auf den Fanmeilen genauestens beobachten. Verheerend wäre zum Beispiel, würden nach dem heutigen Spiel um Platz drei sämtliche Fahnen schlagartig aus dem Straßenbild, von den Autos und Balkonen verschwinden. Ersetzte man die deutsche Flagge durch die italienische oder französische, so könnte man uns für auswärtige Schlachtenbummler halten. Und eine Parteinahme wäre ohnehin taktisch unklug: Vielleicht wollen wir ja mal irgendwann wieder mal nach Rom oder Rimini, Paris oder Cannes? Deshalb bietet sich eine Dreifachbeflaggung an. Oder besser nehmen wir wegen der Symmetrie Portugal gleich noch mit dazu. Schließlich ist ein Auto ja nicht dreieckig, und auch Lissabon und die Algarve sind nette Urlaubsziele. Keinesfalls jedoch sollten wir die Endspielpartys ausfallen lassen (schon allein wegen möglicher Regressansprüche unserer Gäste) oder gar in Trauerfeiern umfunktionieren. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten wir also keine dunkle Kleidung tragen und den Fernseher am besten so laut drehen, dass etwaige destruktive Kommentare einzelner schlechter Verlierer übertönt werden. Wenn wir uns außerdem noch daran halten, dass Sprüche wie »hat nicht sollen sein», »hat nicht viel gefehlt« oder gar das Reizwort »Frings« absolut tabu sind, so...

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