Wie hältst du es mit der Ukraine?

Parteitag sandte seine Friedensbotschaft, ein paar Zweifler zweifelten bis zuletzt

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Ukraine-Krise lag als Thema über dem gesamten Parteitag der LINKEN. Zur Sorge über die drohende Kriegsgefahr kam die einer permanenten Selbstvergewisserung der »einzigen Friedenspartei«.

Am Ende war es Gregor Gysi, der dem Parteitag das gute Gefühl vermittelte, dass nur die LINKE im Konflikt um die Ukraine den Überblick behalte. In seiner Rede am Sonntagmorgen sprach der Fraktionschef der LINKEN die Fähigkeit zur Differenziertheit zu. »Unsere Stärke besteht darin, dass wir niemals einseitig an diesen Konflikt herangegangen sind.«

Dabei findet die Differenzierung auch in der Partei selbst ihre Nahrung. Bei aller gemeinsamen Sorge über die Entwicklungen im Osten wurden auch auf dem Parteitag ein paar Nuancen sichtbar. Katja Kipping warf in ihrer Rede den »Verantwortlichen bei der NATO, in der EU, in der Ukraine und in Russland« gemeinsam vor, nicht aus den Katastrophen der beiden Weltkriege gelernt zu haben, Großmachtstreben einzelner Staaten eskaliere die Lage. »Mich braucht wirklich niemand zu belehren, dass Putin kein Linker ist.«

Die Spitzenkandidatin der Partei zur EU-Parlamentswahl, Gabi Zimmer, meinte zum Vorwurf, die LINKE sei eine Partei der Russland-Versteher: Viele in der Partei hätten einen Zugang zu osteuropäischen Sprachen, Kultur, Literatur, Musik. »Es ist doch gut, wenn wir Russland-Versteher sind. Na und!« Deshalb habe man »auch eine besondere Verantwortung, zu mehr Verständnis zwischen Ost- und Westeuropa beizutragen«. Und Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform bekannte unverblümt, »ich bin eine Russlandversteherin, ich bin keine NATO-Versteherin, mit dieser Art von Äquidistanz kann ich nicht dienen«.

Gregor Gysi kündigte an, noch am selben Tag zu Gesprächen nach Moskau zu fliegen und seinen Beitrag zur Deeskalation leisten zu wollen. Mit Blick auf den Anschluss der Krim an Russland sowie Sezessionsstreben in der Ostukraine verteidigte Gregor Gysi das Recht von Minderheiten auf Loslösung von ihrem Staat - aber nicht unter Verletzung der territorialen Integrität des Landes. »Eine Mehrheit, die gehen will, hat das Recht. Aber nicht mit Territorium. Das geht nur mit Zustimmung des Staates.« Die Annexion der Krim bezeichnete Gysi als völkerrechtswidrig wie auch die Trennung Kosovos von Serbien.

Dem Westen warf Gysi schwere Fehler vor, die bereits vor Jahren in dem Beharren der NATO auf Ostausdehnung ihren Anfang genommen hätten. »Der Westen hat nie begriffen, dass Russland ein Bestandteil Europas ist, dass es Sicherheit in Europa niemals ohne Russland geben kann.« Unter Berufung auf die Ostpolitik Willy Brandts forderte Gysi eine Neuauflage. Es gelte die legitimen Sicherheitsinteressen aller Seiten zu respektieren, auch Polens und der baltischen Staaten. Dies dürfe aber nicht zur Stationierung zusätzlicher Truppen der NATO führen.

Wie sehr das Thema Ukraine die Gemüter erhitzt, war bereits zu Beginn des Parteitages am Freitag deutlich geworden. Katharina Doll vom parteinahen Jugendverband solid sagte, für sie sei die wichtigste Frage dieses Parteitages, wie die Partei mit dem Konflikt umgehe. Anträge verlangten, das Thema an den Beginn der Tagesordnung zu stellen und gegenüber der Planung auszudehnen. Die LINKE als Friedenspartei könne gar nicht anders, meinte Jochen Traut vom Geraer Dialog. Die Debattenzeit wurde daraufhin leicht ausgedehnt, es blieb aber bei ihrer Platzierung am Sonnabend. Wolfgang Gehrcke, Außenpolitiker vom linken Flügel: »Während hier das Leben weitgehend normal weitergeht, wird woanders ein Bürgerkrieg vorbereitet, der womöglich zu einem großen Krieg in Europa werden kann.« Schon zur Begrüßung des Parteitags durch den Berliner Landesverband hatte dessen Vorsitzender Klaus Lederer darauf hingewiesen, dass bei allen politischen Bewertungen eines nie in Vergessenheit geraten dürfe: das unendliche Leid, das der deutsche Faschismus über die Völker der Sowjetunion gebracht hat, und die immensen Opfer, die die Völker Russlands und der Sowjetunion zur Befreiung Europas vom Faschismus auf sich nahmen.

Der Parteitag verabschiedete fast einstimmig einen Beschluss, den der Parteivorstand eingebracht hatte. Darin wird die Annexion der Krim durch Russland als völkerrechtswidrig kritisiert. Zugleich werden dem Westen schwere Vorwürfe gemacht. Die LINKE wendet sich zugleich gegen Drohungen mit wirtschaftlichen Sanktionen oder militärischer Intervention. Mit Blick auf die Unterstützung der Regierung in Kiew heißt es: »Es darf keine Finanzhilfen von der Bundesregierung und der EU geben, solange Faschisten an der Regierung sind.«

Die gewünschte geschlossene Botschaft war damit erbracht. Doch das Misstrauen blieb. Eine Delegierte von solid befragte mit ernster Miene alle Kandidaten für den stellvertretenden Parteivorsitz nach deren Haltung zu Auslandseinsätzen. Während Dominic Heilig klar und deutlich Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland ablehnte, lehnte Tobias Pflüger klar und deutlich alle Auslandseinsätze ab. Auch wenn Heilig sich dabei auf den Konsens im Parteiprogramm berufen kann, ist nicht auszuschließen, dass der feine Unterschied zu Pflügers Wahl beitrug. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn wies später die anonyme Unterstellung zurück, irgendjemand auf dem Parteitag wolle den friedenspolitischen Konsens der Partei verlassen. Der dritte männliche Bewerber, Axel Troost, ein Wirtschaftsfachmann, drapierte das Rednerpult prophylaktisch schon vor der Fragerunde mit einer Pace-Flagge.

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