Auf verlorenem Posten

Wasser-Zweckverband lässt Haus und Grundstück eines Rentners zwangsversteigern

  • Sybille Gurack
  • Lesedauer: 4 Min.
Am 26. Mai kommt das Elternhaus eines schwer kranken Mannes unter den Hammer. Die Zwangsvollstreckung soll einen absurden Streit um Wasser- und Abwassergebühren beenden – auf seine Kosten.

Im Internet ist das eingeschossige Wohnhaus auf 1565 Quadratmetern Land in Markgrafpieske (Oder-Spree) unter www.zwangsversteigerung.de für 91 400 Euro angeboten. Wer das 1906 erbaute Haus samt Land ersteigert, bekommt als Dreingabe gleich noch mieses Karma. Denn zunächst muss er den erwerbsunfähigen, schwerbehinderten 70-Jährigen heraus klagen – in die Obdachlosigkeit. Und das wird nicht so leicht. Herr Kuhnert ist ein Kämpfer.

Bei der Versteigerung seines Elternhauses kann Kuhnert nicht dabei sein. Auf Beschluss des Amtsgerichtes Frankfurt (Oder) wird er zwangseingewiesen »...in eine psychiatrische Klinik für eine noch zu bestimmende Zeit vor, während und nach dem Versteigerungstermin«. Um die Vollstreckung zu vermeiden, hat der Mann viel unternommen: Er wandte sich mit Hilfeersuchen an den Bundespräsidenten, an den Brandenburger Ministerpräsidenten sowie an das Verfassungsgericht. Beim Amtsgericht beantragte er Vollstreckungsschutz und die Einstellung des Verfahrens wegen sittenwidriger Härte gemäß § 765 a ZPO (Zivilprozessordnung). Die Amtsärztin bestätigte, der Verlust seines Wohnraums stelle für Kuhnert eine unbillige Härte dar.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) schmetterte alle Anträge ab und begründete dies im Beschluss vom 13. März 2014 unter anderem so: Zweifelsohne liege für den Schuldner – gemeint ist Kuhnert – bereits durch die tragischen familiären Schicksalsschläge (Erkrankung der Frau, lange Pflege der Frau, schließlich ihr Tod, Erkrankung aller drei Kinder, Unfalltod eines Sohnes, zweiter Sohn liegt nach Unfall im Koma) »eine ex- trem schwierige und belastende Situation vor, die sich durch das anhängige Zwangsversteigerungsverfahren weiter dramatisiert hat«. Aber im gegenwärtigen Verfahrensstadium ergebe es sich nicht, »dass die Fortführung der Zwangsversteigerungssache wesentlichen Einfluss auf den zweifelsohne angeschlagenen

Gesundheitszustand des Schuldners haben wird«. Zudem habe der Versteigerungstermin noch gar nicht stattgefunden, folglich sei noch offen, ob zulässige Gebote abgegeben werden. Richterin Seidel befand auch: »Der Nachweis, dass es in jedem Fall zu einer Selbsttötung kommen wird, ist nicht erforderlich.«
Peter Kuhnert hat damit schwarz auf weiß, dass sein persönliches Elend zwar riesig, aber noch nicht groß genug sei. Denn die Zwangsversteigerung könne nur ganz oder teilweise aufgehoben werden – so die Richterin – »wenn ganz besondere Umstände, die über die Härten hinausgehen, die jede Zwangsversteigerung mit sich bringt und mit der der Schuldner sich abfinden muss, vorliegen. Für die Anwendung des § 765 a ZPO genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte«. Die Kosten für das Beschwerdeverfahren legt das Gericht dem Schuldner auf. Gegenstandswert: 10 000 Euro.

Zum Hintergrund: Die Vollstrekkung hat der Zweckverband Wasser und Abwasser Fürstenwalde und Umland angeregt, mit dem Kuhnert seit 1997 im Streit liegt. 1996 hatte er einen schweren Autounfall, der später noch vier Bauch-Operationen nach sich zog. Der Kranke konnte die Wasserrechnung nicht zahlen. Kurzerhand stellte der Zweckverband das Wasser ab und demontierte die Wasseruhr. Nun brauchte der Mann aber Wasser und stellten die alte Hauswasseranlage an. Die hatte das Umweltamt Beeskow 2003 genehmigt – so wie die Kläranlage auch. Dennoch berechnet der Verband seit 1997 Wasserentnahme und Grundgebühr und beruft sich dabei auf den bestehenden Anschluss- und Benutzungszwang. Das sind acht Cent täglich für die Wasseruhr, dazu kommen Rechnungs-, Verwaltungs - und Gerichtskosten. In 17 Jahren sind so mittlerweile 70 000 Euro aufgelaufen.

2005 und 2010 sollte Kuhnert deswegen schon in Beugehaft gehen, wurde aber wegen seiner angegriffenen Gesundheit verschont. 2013 war das anders: Bei einem Lokaltermin vor seinem Haus ließ der Zweckverband mit einem Bagger – auf Kosten des »Kunden« – den durch Straßenbauarbeiten verschütteten Abwasseranschluss freilegen. Als das geschehen war, fuhr ein Polizeiauto vor und Beamte verhafteten Kuhnert von der Straße weg – in Latschen, ohne Medikamente, ohne Notfallset, ohne Schwerbehinderten- und Personalausweis. Fünf Tage blieb er im Knast und nahm vier Kilo ab. Freunden war die Kontaktaufnahme nur über einen Rechtsanwalt gestattet.

Sollte das Haus am 26. Mai versteigert werden und Peter Kuhnert irgendwann räumen müssen, muss er ins Altenheim ziehen. Von seiner 850-Euro-Rente kann Kuhnert die erforderlichen Pflegekosten nicht bezahlen. Dann muss der Staat einspringen. Einen Gewinner gibt es nicht.

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