Heilmann gerät nach Ausbruch aus JVA Moabit in Erklärungsnöte
Häftlinge weiter auf der Flucht / Opposition fordert Debatte zu Mängeln und Personal
Die beiden Ausbrecher aus dem Untersuchungstrakt der Justizvollzugsanstalt Moabit (JVA) sind weiter auf der Flucht. »Die Fahndung läuft auf Hochtouren, zu Einzelheiten nehmen wir keine Stellung«, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich dem »neuen deutschland« am Mittwoch. Ähnlich äußerte sich die Staatsanwaltschaft. Das Duo, von denen einer ein mutmaßlicher Mörder eines Clubbesitzers sein soll, war in einer spektakulären Flucht in der Nacht zu Montag aus dem Gefängnis ausgebrochen: Dabei hatten die Insassen Gitter vor ihren Zellenfenstern durchgesägt, sich abgeseilt und danach eine vier Meter hohe Mauer und scharfzackigen Stacheldraht überwunden.
Hatte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) am Montag noch von einer Verkettung fast unglaublicher »Zufälle«, räumte er inzwischen Fehler beim Personal ein. So sei auf einer Überwachungskamera die Flucht zu sehen gewesen, das Personal habe das aber wie bei einem Fehlalarm weggedrückt. Gegen die Mitarbeiter der Alarmzentrale laufen deshalb disziplinarische Ermittlungen. Ein weiteres Verfahren ist gegen Unbekannt wegen Gefangenenbefreiung eingeleitet worden. Denn es ist nicht mehr auszuschließen, dass die Ausbrecher Helfer hatten. Nach Angaben einer Justizsprecherin wurden Halterungen am Stacheldraht »mit einem Gerät« manipuliert, offenbar waren Schrauben locker, wodurch der Draht beiseitegeschoben werden konnte.
Die oppositionelle Linkspartei fordert von Heilmann nun Aufklärung. Von überstürzten Rücktrittsforderungen gegen den Justizsenator hält der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Lederer, allerdings nichts. Doch mit seiner »unglücklichen« Kommunikation über eine »Verkettung von Zufällen« habe sich Heilmann selber in die Bredouille gebracht, statt erst mal die Ergebnisse der unabhängigen Expertenkommission abzuwarten, kritisiert Lederer. Die Linksfraktion will nun wissen, inwiefern die seit langem in der Kritik stehende schlechte Personalsituation in den Berliner Gefängnissen für den ersten erfolgreichen Ausbruch aus Moabit seit 15 Jahren ursächlich war. »Heilmann muss klären, ob es organisatorische Mängel gab und inwiefern die schlechte Personalausstattung eine Rolle spielte«, fordert Lederer. Auch die Gewerkschaft ver.di kritisierte die »riskante und falsche Sparpolitik« im Berliner Justizvollzugsdienst. Die Flucht sei ein »Alarmzeichen«.
Im »rbb-Inforadio« hatte Heilmann am Mittwoch erklärt, es habe in Moabit nicht zu wenig Personal gegeben, außerdem würden Investitionen in die Sicherheitstechnik erhöht. Zu klären sei, wieso die Vorbereitungen für die Flucht unentdeckt blieben. Einen Rücktritt hatte Heilmann stets zurückgewiesen.
Sollten die Ausbrecher geschnappt werden, haben sind indes nicht viel zu befürchten: Freiheitsdrang ist nicht strafbar, allenfalls die Sachbeschädigungen an den Gittern wären von dem Duo zu bezahlen.
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