EU-Parlament fordert Juncker

Der konservative Spitzenkandidat soll sich eine Mehrheit für die Wahl zum Kommissionschef beschaffen

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.
Zwei Tage nach der Europawahl dominiert die Strategie zur Besetzung der EU-Spitzenposten die politischen Debatten.

Zu einem informellen Abendessen wollten sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten am Dienstag in Brüssel treffen. Mit der Erörterung der Europawahl-Ergebnisse und dem nach entfachten Streit um den Posten des EU-Kommissionspräsidenten stand das zuletzt am stärksten diskutierte Thema auf dem Programm des Ratstreffens, das eigentlich keines sein sollte.

Um der Hinterzimmerpolitik entgegenzutreten, wandte sich das Parlament am Mittag an den EU-Gipfel. Die Mehrheit der Fraktionschefs beschloss eine Erklärung, in der die Staatenlenker gebeten werden, dem konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker »ein klares Mandat zu geben, die Verhandlungen mit anderen politischen Gruppen zu beginnen«, zitierte tagesschau.de. Dies sei aber noch keine Festlegung auf Juncker, betonte die Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL, Gabi Zimmer.

An dem Treffen in Brüssel nahm auch der noch amtierende Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) teil. Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Europawahl erklärte bereits am Montag, dass die Europäische Volkspartei (EVP) die Wahl gewonnen habe. Hannes Swoboda, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament, bekräftigte am Dienstag das Vorrecht Junckers, sich eine Mehrheit im EU-Parlament zu suchen, die ihn zum Kommissionschef wählt: »Jetzt ist erst einmal Jean-Claude Juncker am Zug.«

Auch wenn die EVP bei der Wahl Sitze eingebüßt hat, stellt sie mit 213 Mandaten weiter die größte Fraktion. Die Sozialdemokraten kamen auf 190 Sitze. Beide verfügen nicht über die für die Wahl des Kommissionschefs erforderliche absolute Mehrheit von 376 Abgeordneten. Da das neue Parlament durch den Einzug zahlreicher kleiner Parteien am rechten Rand weit aufgefächert ist, wollen nun die Großen zusammenarbeiten. Für die Unterstützung der Sozialdemokraten müsse Juncker allerdings »ein mehrheitstaugliches, pro-europäisches Programm« vorlegen, so Swoboda. Auch Schulz habe weiterhin »eine Chance, wenn Juncker scheitert«.

Einigkeit in der Frage »Schulz oder Juncker?« fand offenbar auch die Bundesregierung bei einem Treffen am Montagabend. Es obliegt dem Europäischen Rat, einen Kandidaten für die Wahl im EU-Parlament Mitte Juli zu nominieren. Der britische Premier David Cameron und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán erklärten wiederholt, Juncker nicht mittragen zu wollen. In der Sache ist allerdings nur eine qualifizierte Mehrheit notwendig. Das heißt, mindestens 15 Länder und 260 der auf alle Staaten verteilten 352 Stimmen müssen sich für einen Kandidaten aussprechen.

Auf eine Kampfabstimmung wird es Kanzlerin Merkel aber wohl nicht ankommen lassen. Eher werden der Kommissionsvorsitz sowie die Posten des Außenbeauftragten und Ratspräsidenten entsprechend machtpolitisch verteilt. Die Entscheidungen fallen erst in den nächsten Wochen.

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