Altverträge mit altem Mindestlohn
Wer für die öffentliche Hand arbeiten will, muss 8,50 Euro pro Stunde zahlen - zumeist
Das Brandenburgische Vergabegesetz hatte, als es 2012 erlassen wurde, ein Mindestarbeitsentgelt von acht Euro pro Arbeitsstunde vorgeschrieben. Nach zwei Jahren ist das Vergabegesetz nun überarbeitet und am 13. Februar 2014 in Kraft gesetzt worden. Für alle ab diesem Datum bekannt gemachten oder veröffentlichten Vergabeverfahren und Ausschreibungen gilt ein neuer Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.
Allerdings steckt der Teufel auch hier im Detail. Für «Altverträge» trifft diese Vorschrift nämlich nicht unbedingt zu, so dass für sie bis auf weiteres noch die Acht-Euro-Grenze gilt.
Bei bestehenden Verträgen ohne Lohngleit- und Preisanpassungklausel gilt, dass Verträge «nicht ohne weiteres an ein erhöhtes Mindestarbeitsentgelt angepasst werden können», teilte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Detlef Baer mit. Wenn sich die Vorschrift auf einen erhöhten Mindeststundensatz von 8,50 Euro beziehen würde, dann würde es sich um eine «ausschreibungspflichtige wesentliche Vertragsänderung» handeln. Erst bei Neuverträgen könne in solchen Fällen der erhöhte Mindestlohnsatz berücksichtigt werden.
Inzwischen hat die Landesregierung laut Christoffers auf das Problem reagiert und auf Initiative des Arbeitsministeriums angewiesen, «dass die Auftraggeber der Landesverwaltung Lohngleit- und Preisanpassungsklauseln in ihre Verträge aufzunehmen haben. Das heißt, dass die Verträge so abgefasst werden, dass künftige Mindestlohnsteigerungen in ihnen schon Berücksichtigung finden. Eine entsprechende Mustervereinbarung sei auf dem Vergabeportal des Landes abrufbar, so der Minister. Dieses Muster könne auch von Auftraggebern der kommunalen Ebene genutzt werden, wo die Vorschriften für öffentliche Auftragsvergabe auch Anwendung finden. Christoffers hofft, dass auf diese Weise Lohngleit- und Preisanpassungsklauseln in breitem Maße zur Anwendung kommen.
Das gilt aber erst, seit das Kabinett am 22. Oktober 2013 einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Davor war es möglich, auf solche Anpassungen zu verzichten. Unter diesen Konditionen abgeschlossene Verträge müssen also unter den Bedingungen eines Acht-Euro-Mindestlohns erfüllt werden, obwohl die 8,50-Euro-Grenze schon längst eingeführt ist.
Laut Christoffers ist es nicht möglich festzustellen, wie viele Verträge unter den alten und wie viele Verträge unter den neuen Bedingungen derzeit gelten. »Eine Statistik über alle Einzelverträge, die im Bereich der Landesverwaltung geschlossen wurden, existiert nicht.«
Ende vergangenen Jahres hatte die Landesregierung mit der Erhöhung des Mindestlohnes in ihrem Wirkungsbereich ernst gemacht und sich von der Regierungsmehrheit ein entsprechendes Gesetz bestätigen lassen. Es sah die Steigerung von acht Euro auf 8,50 Euro vor als Mindestlohn in einem Unternehmen, dass sich um Aufträge der öffentlichen Hand in Brandenburg bemüht. Ziel war es, dessen Höhe »an veränderte wirtschaftliche und soziale Bedingungen anzupassen«. Eine zuständige Kommission habe daher vorgeschlagen, das Mindestarbeitsentgelt auf 8,50 Euro pro Stunde für die Dauer von zwei Jahren zu erhöhen. »Eine eventuelle vorzeitige Anpassung soll im Herbst 2014 geprüft werden.«
Allerdings traten unerwartete Schwierigkeiten auf. Brandenburgischen Unternehmen ist es in den vergangenen Jahren offenbar besser gegangen als gedacht. Jedenfalls bewerben sich derzeit deutlich weniger einheimische Unternehmen als sonst um öffentliche Aufträge. Die Auftragsberatungsstelle Brandenburg (Abst) hatte im Sommer erklärt, es falle insbesondere im Dienstleistungs- und Lieferbereich auf, »dass Vergabestellen derzeit Probleme haben, genug Unternehmen für ihre ausgeschriebenen Leistungen zu finden«. Die Zahl der Bewerber sei »erheblich gesunken«. Manches Vergabeverfahren müsse sogar aufgehoben werden, da kein einziges Angebot eingegangen sei. »Wir möchten daher alle Unternehmen in Brandenburg ermuntern, sich stärker an Vergabeverfahren der öffentlichen Hand zu beteiligen«, teilte Geschäftsführerin Anja Theurer mit.
Die Gründe für die Zurückhaltung ließen sich nur erahnen, so Theurer: »Bewerbungen sind je nach Einzelfall mit einem bestimmten personellen und finanziellen Aufwand verbunden. Dank der geringen Anzahl an Bewerbern stehen die Chancen insgesamt gut.« Unter der Hand heißt es bei Wirtschaftsverbänden gelegentlich, dass man bei Staatsaufträgen der niedrigen Preise wegen kaum etwas verdienen könne.
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