Fünfte Kolonne von »Nato-Verstehern«?
Deutsche Alpha-Journalisten und ihre Freunde aus Wirtschaft und Politik
Josef Joffe, Herausgeber der Wochenzeitung »Die Zeit«, ist sauer. Er fühlt sich und seine Kollegen von einem im ZDF gesendeten Beitrag falsch dargestellt. In diesem wurde behauptet, Joffe gehöre zu einer Gemeinschaft von sogenannten Alpha-Journalisten, die seit vielen Jahren sehr gut mit neoliberalen Thinktanks und den politischen Eliten in den USA und in Europa vernetzt sei und die öffentliche Meinung in deren Sinne manipulieren wolle.
Die Pointe an der Geschichte ist: Es war kein Beitrag in einem politischen Magazin, gegen den sich Joffe mit einem Brief an den Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, zur Wehr setzte. Die beiden Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner hatten Ende April in der ZDF-Satire-Sendung »Die Anstalt« die Einbindung einer Handvoll leitender Journalisten in Debatten- und Politikzirkeln aufs Korn genommen. Unter den in der Sendung genannten Netzwerken sind beispielsweise das Aspen-Institut (nicht-staatliche US-Denkfabrik mit Dependancen in mehreren Ländern, Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien werden regelmäßig zu Gesprächsrunden eingeladen), die Münchner Sicherheitskonferenz (jährliche Zusammenkunft von Politikern, Rüstungslobbyisten und Militärs) oder die Atlantikbrücke (Netzwerk zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen mit derzeit rund 500 Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien). Die in einem Sketch der »Anstalt« verwendeten Fakten würden nicht stimmen, schreibt Joffe, der sich zu Unrecht als Teil einer »Fünften Kolonne von ›Nato-Verstehern‹« diskreditiert sieht.
Wann hat es das schon einmal gegeben, dass gegen eine Satire-Sendung wegen der angeblich falschen Verwendung von Fakten vorgegangen wird? Fällt die satirische Zuspitzung nicht unter die Freiheit von Kunst, die es mit der Objektivität naturgemäß nicht so genau nehmen muss, ja darf? Wie sonst lässt sich Wirkung erzielen, als durch das Mittel der Übertreibung? Dass Joffe derart heftig reagiert, dürfte indes nicht an dem Sketch liegen. Der basierte nämlich auf etwas viel Ernsthafterem: auf einem Buch des Leipziger Medienforschers Uwe Krüger. Der hatte in seiner im letzten Jahr veröffentlichten Dissertation »Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse« die Einwirkung von Eliten auf die sogenannten Leitmedien in Deutschland unter die Lupe genommen. Ergebnis: Führende Journalisten sind eng in die oben genannten Netzwerke eingebunden und übernehmen in ihren Artikeln oft die Sicht dieses Milieus. Mehr als 200 Namen tauchen in Krügers Studie auf, darunter neben Joffe der FAZ-Redakteur Klaus-Dieter Frankenberger, in der seiner Redaktion für Außenpolitik verantwortlich, sein Kollege von der »Süddeutschen Zeitung«, Stefan Kornelius, sowie der Chefkorrespondent von Springers »Welt«, Michael Stürmer. Aber auch Kai Diekmann (»Bild«), Claus Kleber (ZDF) und ZDF-Chefredakteur Peter Frey zählen zu dem Kreis.
Keine Frage, das ist eine illustre Runde. Es bleibt allerdings die Frage, ob solch ein kleiner Haufen über so viel Einfluss verfügt, wie dies »Die Anstalt« und Krüger suggerieren. Wer liest die Artikel von Josef Joffe, wer weiß noch, was Michael Stürmer vor wenigen Wochen in der »Welt« über die Ukraine-Krise geschrieben hat? Mit Ausnahme von Kai Diekmann (als Chefredakteur eines Boulevardblattes) und Claus Kleber (als Moderator des »heute-journal« im ZDF) dürfte der Wirkungskreis der Mehrheit dieser Alpha-Journalisten recht begrenzt sein. Die, die heute »Meinung machen«, kommen eher aus dem Unterhaltungssegment der Medien - so wie Max Uthoff und Claus von Wagner. Gerade die jüngere Generation informiert sich über das politische Tagesgeschehen mittlerweile weniger über die Nachrichten- und Magazinformate der TV-Sender, sondern eher über Sendungen wie die »heute-show«, die jeden Freitag einen satirischen Rückblick auf das politische Wochengeschehen präsentiert. Und dort werden in letzter Zeit wahrlich andere Sichtweisen als die der Alpha-Journalisten vertreten.
Dennoch: Die These, dass sich ein Meinungskartell aus Alpha-Journalisten und den wirtschaftlichen wie politischen Eliten entwickelt hat, ist vor allem in den Foren im Internet populär. Ganz von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf nicht. Wer sich regelmäßig trifft, wer - im wörtlichen Sinne - am Tisch die gleichen Sitten pflegt, der neigt auch eher dazu, in vielen anderen Dingen eine ähnliche Haltung einzunehmen. In der Tat fällt auf, wie sehr oftmals die Leitartikel etwa in der »Zeit« oder der »Bild« den Verlautbarungen aus dem politischen Washington und Berlin ähneln.
Manche Kritiker gehen sogar noch weiter und halten die Krisen in der Ukraine oder in Syrien für das Ergebnis gezielter Einflussnahme des Westens auf diese Länder - fürs heimische Publikum propagandistisch von den Alpha-Journalisten medial befeuert. Die Wirklichkeit ist jedoch weder schwarz noch weiß, sie ist in mehr oder weniger kräftige Grautöne gefärbt. Vor allem aber gilt: Jede noch so ausgeklügelte PR-Kampagne braucht den sozialen Nährboden, auf dem sie gedeihen kann, benötigt fürs Wachstum ein entsprechend günstiges politisches Klima. Die »Farbenrevolutionen«, die seit Jahren von Land zu Land wandern - die »Orangene Revolution« in der Ukraine vor gut zehn Jahren ist dafür das prominenteste Beispiel - wurden zwar mit Marketingmethoden durchgeführt, die ihren Ursprung in den USA und Westeuropa haben; im Hintergrund agierten PR-Agenturen und NGOs wie beispielsweise das Open Society Institute des Milliardärs George Soros. Der »Regime-Change« wäre aber ohne die jeweiligen nationalen Verhältnisse nicht möglich. Die - gescheiterte! - »grüne Revolution« in Iran nach der Präsidentschaftswahl 2009, die Mahmud Ahmadinedschad gewann, brauchte als Triebkraft die Wahlmanipulationen, den offensichtlichen Despotismus und fußte auf der zunehmenden kulturellen Kluft zwischen den »Gralshütern« der islamischen Revolution und einer nach 1979 geborenen jüngeren Generation.
Dass die Akteure in Teheran wie in Kiew und anderswo in der Regel ausgezeichnet Englisch sprechen und dass ihnen die US-Kultur als Projektionsfläche heimlicher Sehnsüchte nach Freiheit und Individualität in einer von kollektivem Zwang geprägten Gesellschaft gilt, ist nicht auf das Wirken von PR-Agenturen zurückzuführen, sondern ist das Ergebnis der Globalisierung. Die PR-Agenturen des Westens sind lediglich die Verstärker in diesen Konflikten.
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