Ein Mann mit fast zu gutem Herz

Erinnerung an den verstorbenen Lothar Bisky und sein Wirken an der Filmhochschule

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Rahmen der Gesprächsreiche zum Thema »25 Jahre friedliche Revolution« befasste sich die Landeszentrale für politische Bildung Mittwochabend mit Lothar Bisky.

Bilder von sowjetischen Soldaten, die in Ostdeutschland stationiert waren und auf ihre Heimreise warteten, bedecken derzeit die Wände in der Landeszentrale für politische Bildung. Ein stimmungsvoller Rahmen für die Gesprächsserie zum Thema »25 Jahre friedliche Revolution in der DDR«.

Am Mittwochabend wurde die Rolle es im vergangenen Jahr verstorbenen Politikers Lothar Bisky (LINKE) beleuchtet. Bisky war ab 1986 Rektor der Filmhochschule »Konrad Wolf« in Potsdam-Babelsberg gewesen.

Historikerin Jutta Braun schilderte die Situation an der Filmhochschule in den letzten Jahren der DDR. In Villen aus der Gründerzeit in der Nähe der Berliner Mauer untergebracht, hatte die Studenten einen »idyllischen Blick auf die tödliche Grenze«, sagte sie. In den 1970er und 1980er Jahren habe das DDR-Ministerium für Staatssicherheit die Hochschule »wie ein Spinnennetz« durchzogen. Es habe sich um eine »abgeschottete Institution« gehandelt, die »aus der Welt gefallen« zu sein schien. Kritische Filme seien »im Keller« verschwunden.

»Heute werden diese Filme gar nicht erst gemacht«, bemerkte dazu Regisseur Andreas Kleinert. Den Status des »Verbotenen« bekommen zu haben, sei eine Art Ehre gewesen. Bei allen Einschränkungen zu dieser Zeit, die Filmhochschule »ist für mich der glücklichste Ort der Welt gewesen«, bekannte Kleinert. Es gebe einige, die sich heute als Widerständler aufspielen. »Schaut euch mal deren Filme von damals an oder deren Diplomarbeiten«, empfahl er.

Einig war sich das Podium darin, dass mit dem neuen Rektor Lothar Bisky 1986 ein »schlagartiger Klimawechsel« einsetzte. Nun wurden die einst unter Verschluss gehaltenen Filme hochschulintern gezeigt, mitunter auch halböffentlich. Bisky stellte sich vor seine Studenten, riskierte sogar Strafbelehrung und Parteiausschluss. Nicht im Widerspruch dazu stand, dass Bisky »überzeugter SED-Kader« war, wie Jutta Braun sagte. Als junger Mann siedelte er aus der Bundesrepublik in die DDR über. Bisky studierte hier und begann seine kulturpolitische Laufbahn. Die DDR begriff er als sein Vaterland und er wollte kein anderes. In den Wirren der Wende stellte er die Vertrauensfrage und wurde von den Studenten als Rektor bestätigt.

Regisseur Kleinert fragte, ob Bisky seine Rolle zwischen allen Stühlen immerwährend hätte spielen können. »Unter Bisky war es das erste Mal, dass ein Rektor überhaupt mit Studenten gesprochen hatte«, erzählte er. Kleinert sprach von einem »guten Herzen, einem fast zu guten«. Bisky habe einen geradezu liebevollen Umgang mit den Studierenden gepflegt.

Auch der Regisseur Thomas Frick war einst Student bei Lothar Bisky. »Der Rektor Bisky erzählte mir, dass er einmal im Monat vor der Staatssicherheit Rechenschaft darüber ablegen musste, weshalb ich nicht exmatrikuliert worden sei«, sagte er. Frick berichtete, welche heute undenkbare Macht in der Wendezeit die Studenten hatten. »Wir durften darüber mitentscheiden, welche Professoren an der Hochschule verbleiben.«

Als sich der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik abzeichnete, entschied sich Bisky für eine politische Karriere, womit er, wie es der Regisseur Andreas Dresen formuliert, »auf die Seite der belegten Brötchen abwanderte«. An diesem Abend in der Landeszentrale für politische Bildung saßen eine Reihe von einstigen Mitarbeitern der Filmhochschule »Konrad Wolf«. Die politische Riege fehlte.

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