Würdelose Debatte über Würde
Gewerkschaften kritisieren Mindestlohngegner und fordern: »keine Ausnahmen«
Die von Unternehmern finanzierte »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« (INSM) erneuerte anlässlich der ersten Lesung des Entwurfes für ein »Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie« ihre Kritik an der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) stelle damit »die Würde derjenigen in Frage, deren Produktivität und Qualifikation nicht ausreichen, um mehr als 8,50 Euro pro Stunde zu erwirtschaften«, heißt es in einer Pressemitteilung des neoliberalen Thinktanks vom Donnerstag.
Scharfe Kritik von Gewerkschaftsseite ließ nicht lange auf sich warten. »Die Attacken aus der Unternehmerecke auf den Mindestlohn« empfindet die DGB-Vorsitzende von Berlin und Brandenburg, Doro Zinke, als »würdelos und arbeitnehmerfeindlich«, heißt es in einer Mitteilung. Der Mindestlohn habe eine wichtige Schutzfunktion im Sozialsystem. In Berlin und Brandenburg seien über 30 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich tätig. Für die Aufstocker müssten beide Bundesländer im Jahr mehr als 600 Millionen Euro an Steuermitteln ausgeben, so Zinke.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sagte anlässlich der Bundestagsdebatte: »Das Gesetzpaket zum Mindestlohn stabilisiert das Tarifsystem.« Der »gute Ansatz« werde allerdings durch Ausnahmen für Langzeitarbeitslose, die in den ersten sechs Monaten einer Tätigkeit unterhalb des Mindestlohns bezahlt werden können, sowie unter 18-Jährige »durchlöchert«. Die IG BAU kritisierte, »unbezahlte Langzeitpraktika« beträfen besonders junge Menschen. Deren Chef Robert Feiger mahnte zudem eine »effektive Kontrolle« an. Die IG BAU fordert schon lange die Aufstockung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls.
Die Vorsitzende der Nahrungs- und Genussmittelgewerkschaft NGG Michaela Rosenberger sagte, durch die Ausnahmen werde »durch die Hintertür« ein neuer Niedriglohnsektor geschaffen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.