Internet goes TV

Netzwoche

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Mitte Mai zum Recht des Einzelnen auf Löschung von Einträgen bei Internet-Suchmaschinen wie Google begann eine Debatte über Grundrechte in Internet. Vor Wochenfrist hatte Google ein Online-Formular freigeschaltet, mit dem die User einen Lösch-Antrag stellen können. Bislang gingen bei dem Konzern bereits mehr als 40 000 Anträge ein. Für den Kommunikationsdesigner und Softwareentwickler Alvar C.H. Freude nehmen die Antragsteller allerdings nicht ihr Recht auf informelle Selbstbestimmung war, sie leisten vielmehr der Zensur im Netz Vorschub. »Wenn tatsächlich ein relevanter Anteil der Menschen in Deutschland Inhalte aus Suchmaschinen entfernt haben will, dann wird die Meinungs- und Informationsfreiheit deutlich eingeschränkt werden«, schreibt er in seinem Blog blog.alvar-freude.de. Es gehe den Antragstellern »explizit nicht um rechtswidrige Inhalte, die nicht mehr gefunden werden sollen, sondern um rechtmäßige, von denen aber die betroffene Person sich nicht richtig dargestellt sieht. Statt zu einem Ort der Meinungsfreiheit, der innerhalb des geltenden Rechts auch kritische und verrückteste Meinungen duldet, könnte das Internet im Extremfall ein Stückchen mehr zum unkritischen, lobhudelnden Konsummedium für das Klickvieh werden. Der EuGH öffnet nun Tür und Tor zu einer anderen Sichtweise: das Persönlichkeitsrecht hat demnach regelmäßig Vorrang vor der Meinungs- und Informationsfreiheit, damit wäre es also eine Art Supergrundrecht, das alle anderen schlägt.«

Der Einzelne hat ein Recht darauf hat, dass Dinge über ihn, die an die Öffentlichkeit gelangt sind, auch wieder der Vergessenheit anheim fallen können, betont dagegen Jaron Lanier. Der Informatiker, Künstler und Komponist zählt zu den Computerpionieren; Anfang der 1980er Jahre entwickelte er das erste Videospiel. Statt Suchergebnisse zu manipulieren, wäre es besser, wenn Google unparteiische Suchergebnisse liefern würden, schrieb er in einem Beitrag für die FAZ (faz.net). »Man könnte zum Beispiel die Möglichkeit haben, bestimmte Suchbegriffe mit dem eigenen Namen zu verbinden und sie mit einem Minuszeichen zu versehen (...) Google und andere Suchmaschinen müssten sich bereiterklären, die Liste der ›Minusbegriffe‹ geheim zu halten.«

Einen Blick in die Zukunft von Google und Co. warf dieser Tage Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz. Dass Problem seien »nicht die Suchmaschinen im Allgemeinen oder gar Google im Speziellen«, sagte er in einer Rede beim Mediendialog 2014 in der Hansestadt, dokumentiert auf olafscholz.de. Zwar würden die analogen Medien vor der »Marktmacht der Internetkonzerne« warnen. »Andererseits prognostiziert Jeff Bewkes, der CEO von Time Warner, dass das Fernsehen perspektivisch das Internet übernehmen werde, weil es über die Hoheit über die Inhalte verfüge (...) Denn natürlich nützt die beste technische Infrastruktur nichts ohne gute Inhalte.«

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