Schwarzbrot und Frostspanner

Ein US-Amerikaner lernte in Königs Wusterhausen, wie die Brandenburger ihre Eichen vor Schädlingen retten

  • Danuta Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.
Jeweils 350 Jugendlichen ermöglicht die USA ein Auslandsjahr in Deutschland. Der 19-jährige Peter Socha aus Seattle kam so in die Döberitzer Heide und nach Königs Wusterhausen.

Peter Socha lebt normalerweise in Seattle, einer Stadt mit rund 600 000 Einwohnern. Er ist 19 Jahre alt, benutzt Facebook und Whats App. Fast ein Jahr lang war er nun als Austauschschüler in Brandenburg. Diese Zeit ist bald vorbei, wenn er von Berlin-Tegel aus zurück fliegt an die US-amerikanische Westküste. Was er gern mit in die Heimat nehmen würde? »Am liebsten das deutsche Essen. Mir hat alles geschmeckt hier. Besonders das Schwarzbrot.«

Seit September 2013 ist Peter in Brandenburg. Zunächst hat er in der Döberitzer Heide als Tierpfleger gearbeitet. Seit einem halben Jahr lebt er in Königs Wusterhausen in der Familie einer Tierärztin. Mit ihrer Hilfe erhielt er seine zweite Praktikumsstelle in der Oberförsterei Königs Wusterhausen. Hier befasst er sich mit der Schädlingsbekämpfung.

»Deutschland ist die Wiege der Forstwirtschaft. Hier wird auf Nachhaltigkeit gesetzt«, erklärt seine Betreuerin, die Oberförsterin Beate Dahlke. Sie hat ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Jungen aufgebaut, ihn zum frühen Aufstehen motiviert. Dahlke ist Mutter von fünf Kindern, eins davon ist in Peters Alter. Sie kennt sich also aus mit Jugendlichen der Handygeneration.

»Mich fasziniert die Höflichkeit in diesem Land, hier wird ›Guten Morgen‹ und ›Auf Wiedersehen‹ gesagt. Und dazu gibt es einen festen Händedruck. Das kenne ich anders aus meiner Heimat. Da sagt man nur ›Hi‹«, erzählt Peter. Geboren wurde er in Cambridge, seine Mutter ist Engländerin. Mit dem fünf Monate alten Baby ging die Mutter in die USA. Peter wohnt in Seattle mitten in der Großstadt. »Hier lebe ich zwischen Seen, Feldern und Wäldern, auf dem Land«, sagt er. »Es gibt einen großen Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen Wäldern, zwischen Wood und Forest, also zwischen den übersichtlichen Wäldern hier und den riesigen Wäldern in Amerika. Dort kann man gar keine Forstwirtschaft betreiben.«

Möglich wurde Peters Auslandsjahr durch das Parlamentarische Partnerschaftsprogramm. 30 Jahre gibt es dieses Programm bereits. Es wird vom Bundestag und vom US-Kongress finanziert. Anfang Mai fand dazu in Berlin eine große Festwoche statt. Der Andrang auf die 350 Plätze in Deutschland ist groß. Gleichzeitig können 285 Deutsche in den USA Erfahrungen sammeln. Peter Socha sprach kein Wort Deutsch, als er kam. In einem zweimonatigen Kurs in München tastete er sich an die Sprache heran, der Rest war »Learning by Doing«. Mittlerweile kann er alles auf Deutsch formulieren, was er sagen möchte.

In der Oberförsterei in Königs Wusterhausen wurde er mit dem Monitoring von Schadinsekten betraut. An den betroffenen Bäumen, vornehmlich Eichen, aber auch Berg- und Spitzahorne sowie Linden, wurden beschädigte Blätter entnommen und untersucht. Vor allem der kleine und große Frostspanner, der Eichenprozessionsspinner, der Schwammspinner und der Eichenwickler sind Schädlinge, mit denen die Förster zu kämpfen haben.

»Natürlich müssen wir uns immer rechtfertigen vor dem Naturschutzbund, warum wir mit Chemikalien Schädlinge bekämpfen. Dem steht gegenüber, dass diese Schädlinge die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes gefährden« sagt Oberförsterin Beate Dahlke. Die Waldgebiete seien zu 50 Prozent in privater Hand und die Besitzer bezahlen gern einen Einsatz. Der stehe in keinem Verhältnis zum Holzverlust und einer nötigen Wiederaufforstung, wenn der Wald zerstört würde.

Ab September beginnt Peter Socha sein Biologiestudium in Kanada. Biologie zu studieren, das war keine spontane Entscheidung. Der Vater hat einige Semester Zoologie studiert, als Kind streifte Peter durch die großen Wälder und beobachtete Tiere. »Wir hatten eine tolle Biologielehrerin, sie war begeistert und gab uns anschaulichen Unterricht. Wir haben viel experimentiert, einmal haben wir sogar ein kleines Schwein seziert.« Außerdem hat der heute 19-Jährige zwei Jahre im Seattle Aquarium gearbeitet und Besuchern die Eigenarten der Unterwasserwelt erklärt. Höhepunkte seines Aufenthalts in Deutschland waren für Peter Socha ein Hubschrauberflug bei der Schädlingsbekämpfung und eine Treibjagd. Fasziniert haben ihn die traditionellen Rituale der Jagd: die Jagdhornbläser, die Hunde, die letzte Ehre für das erlegte Wild. Das hätte er in Amerika nie erlebt.

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