Neonazi-Netzwerk bleibt folgenlos

Neonazi in Haftanstalt versuchte rechte Gruppe aufzubauen

  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einer Annonce aus dem Knast heraus suchte ein Neonazi nach Gleichgesinnten. Die Gruppierung flog 2013 auf. Doch Experten warnen, dass sich solche Netzwerke wieder bilden könnten.

Frankfurt/Wiesbaden. Das vor gut einem Jahr aufgedeckte Neonazi-Netzwerk in deutschen Gefängnissen hat keinerlei juristische Folgen für die Betroffenen. Ermittlungen gegen 13 Beschuldigte seien eingestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main auf dpa-Anfrage mit. Es habe nicht bewiesen werden können, dass die Gruppierung Nachfolger der 2011 verbotenen »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige« (HNG) werden sollte.

Beobachter vermuten aber, dass rechte Häftlinge weiterhin Kontakt untereinander suchen. »Es muss permanent der Blick darauf gehalten werden«, sagte Bernd Wagner vom Aussteiger-Projekt Exit.

Als Drahtzieher des im April 2013 bekanntgewordenen Netzwerks galt ein Kasseler Neonazi, der in der osthessischen Justizvollzugsanstalt Hünfeld inhaftiert war. Er suchte Briefkontakt zu gleichgesinnten Gefangenen, auch der Name der NSU-Angeklagten Beate Zschäpe wurde bei ihm auf einer Adressliste gefunden. Außerdem warb er im Oktober 2012 in der Rockerzeitschrift »Bikers News« um Unterstützung und verwendete in der Anzeige offen rechtsextremistische Codewörter.

Dort nannte sich die Gruppe »AD Jail Crew (14er)«, wobei AD für Aryan Defence (Verteidigung der arischen Rasse) steht. 14er verweist auf eine rechtsextreme Losung aus 14 Wörtern. Die Gründung wurde auf den 20. April 2012 datiert, den Jahrestag von Adolf Hitlers Geburtstag.

Trotzdem verkannten sowohl der hessische Verfassungsschutz wie das Bundeskriminalamt die Brisanz der Botschaft. In beiden Behörden lasen die für Organisierte Kriminalität und Rocker zuständigen Abteilungen die Anzeige. Sie informierten aber nicht ihre für Rechtsextremismus zuständigen Kollegen. Das Netzwerk flog im Februar 2013 auf, als sich nach Darstellung des hessischen Justizministeriums ein Mitgefangener offenbarte. Allerdings hatte zu der Zeit auch die linke Tageszeitung »Neues Deutschland« bereits Wind von der Sache bekommen.

Gut zwei Dutzend Häftlinge aus verschiedenen Bundesländern sollen nach einer Übersicht von April 2013 Kontakt mit der Gruppe gehabt haben. Übrig blieben 13 Ermittlungsverfahren, von denen vier das Land Hessen betrafen, drei Häftlinge in Hünfeld und einen in Kassel, wie Staatsanwältin Doris Möller-Scheu sagte. Ermittelt wurde auch gegen je einen Häftling in Berlin, Diez (Rheinland-Pfalz), Meppen (Niedersachsen) und Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern). Die übrigen fünf Beschuldigten seien nicht in Haft gewesen.

Einzige Folge war, dass Häftlinge verlegt und verstärkt überwacht wurden. »Vergleichbare rechtsextremistische Aktivitäten hat es seitdem nicht mehr gegeben«, erklärt das hessische Justizministerium. 2013 seien etwa 500 Vollzugsbeamte geschult worden, rechte Parolen und Symbole im Haftalltag zu erkennen. In diesem Jahr sollen es ähnlich viele Beamte sein. Seit Mai 2013 werden in Hessen einschlägige Tätowierungen fotografiert, wenn Häftlinge neu in die Anstalten kommen.

Trotzdem sei weiter Wachsamkeit gegen rechte Umtriebe in Gefängnissen nötig, sagte Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. »Es reicht nicht, dass einmal ein Netzwerk zerschlagen wurde.« Nach Wagners Einschätzung waren der Kasseler Neonazi und seine Mitverschwörer zwar gefährlich. Sie spielten in der Szene aber eine kleinere Rolle als die harten Kader der verbotenen HNG. Rechtsextreme in- und außerhalb der Gefängnisse hielten indes weiter Kontakt. »Es gibt so etwas wie Gefangenenbetreuung nach wie vor.« dpa/ nd

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