Streuner soll kein Freiwild mehr sein

Exemplarischer Streit um Jagdgesetz im Südwesten

  • Roland Böhm, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon seit Monaten schwelt in Baden-Württemberg ein Streit zwischen Jägern und Naturschützern um eine Neufassung des Landesjagdgesetzes. Der Konflikt birgt Zündstoff weit über die Landesgrenzen hinaus. Während die verärgerten Jäger in den Plänen der grün-roten Landesregierung einen Angriff auf ihre traditionellen Rechte sehen, sprechen Natur- und Tierschützer von einem »Reformstau bei den Jagdgesetzen« in ganz Deutschland.

Das heftig umstrittene Jagd- und Wildtiermanagementgesetz, wie das überarbeitete Jagdgesetz heißen soll, sei »ein guter erster Schritt«, betonte Stefan Adler vom Bundesverband des Naturschutzbundes Nabu in Berlin. Viele weitere müssten aber folgen. Viele Jagdgesetze stammten aus den 1950er Jahren - seither habe sich beim Tierschutz, aber auch bei der Wildtierforschung viel getan. Darauf müsse man eingehen.

Das Gesetz verbietet Totfangfallen und das unkontrollierte Abschießen streunender Hunde und Katzen. Zudem soll es aus Gründen des Tier- und Artenschutzes ein begrenztes Fütterungsverbot geben. Und von 2017 an soll nur noch bleifreie Munition verwendet werden. Die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) möchte die Jagd damit modernisieren.

Das Problem: Viele Jäger sehen ihr Recht dem Naturschutz untergeordnet. »Aus unserer Sicht muss es bei einer strikten Trennung zwischen dem Jagdrecht und dem Naturschutzrecht bleiben«, sagt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV) in Berlin. Die Jäger kritisieren vor allem die geplante zweimonatige Jagdruhe im Frühjahr als »nicht praxisgerecht«. Schließlich sollten Jäger da Wildschweine schießen. »Die Grundbesitzer und Landwirte werden sich bedanken, wenn Wildschäden stark zunehmen«, betont Reinwald.

Herzstück des Gesetzes - und von den Jägern heftig bekämpft - ist das sogenannte Schalenmodell, in dem die Tiere in drei Stufen von jagbar (Nutzungsmanagement) bis geschützt (Schutzmanagement) eingeteilt werden. Festgelegt werden soll das von Wildtiermanagern, nicht von Jägern.

Jagd und Naturschutz seien »zwei eigenständige Rechtsgebiete auf Augenhöhe«, sagt DJV-Sprecher Reinwald. »Durch das Schalenmodell darf das Jagdrecht nicht zu einer Unterkategorie des Naturschutzes werden.« Der Geschäftsführer des Landesjagdverbands, Erhard Jauch, warnt: »Der Naturschutz bekommt Zugriff auf das Jagdrecht.« Die Eigenverantwortung der Jäger werde mit Füßen getreten.

Die Regierung in Stuttgart ist der Meinung, den Jägern mit der Neuregelung zu helfen - schließlich habe deren Ansehen in der Gesellschaft Schaden genommen. Nun bekämen sie eine aktive Rolle beim Schutz der Tiere des Waldes zugewiesen, was ihrem angekratzten Image sicher gut tue. Reinwald hingegen zitiert aus DJV-Umfragen: »Das Image der Jäger hat zugelegt. Da brauchen wir nicht die Hilfe von der Landesregierung.«

Im Saarland gab es ähnliche Debatten. Inzwischen hat Schwarz-Rot an der Saar ein Gesetz verabschiedet. Es stamme noch aus Feder der Grünen, gehe aber nicht so weit, heißt es beim Landesjagdverband. Debatten über Neuregelungen gibt es auch in anderen Ländern, etwa in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen. Die Länder haben freie Hand: Mit der Föderalismusreform ist das Jagdrecht vom Bund auf sie übergegangen. dpa/nd

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