Abschied von den Massenmedien?

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Große Sportereignisse waren seit jeher eine gute Bühne für politische PR. Auch die Fußball-WM in Brasilien macht in diesen Tagen keine Ausnahme. Gleich nach Abpfiff des Spiels Deutschland-Portugal besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutschen Spieler in der Kabine und ließ davon gefällige Bilder verbreiten. Sport und Politik gehen aber auch in anderer Hinsicht eine für die Politik erquickliche Verbindung ein: Regierungen können während großer Sportereignisse brisante Gesetze verabschieden, ohne das die Öffentlichkeit davon groß Kenntnis nimmt; die ist ja derzeit abgelenkt. Das meint jedenfalls der Blogger Henning Uhle. Vor zwei Jahren, während der Fußball-EM, habe der Deutsche Bundestag, »von Medien und Bevölkerung wenig beachtet, das Widerspruchsrecht bei der Adressauskunft abgeschafft«, schreibt er auf carta.info. Mit einschneidenden Folgen: »Die Meldeämter dürfen Adresshandel betreiben, ohne dass der Bürger etwas dagegen unternehmen kann.« Die Liste der klammheimlich verabschiedeten Grausamkeiten ließe sich laut Uhle fortsetzen. »Ebenso unbeachtet vom fußballtrunkenen Volk blieben weitere Entscheidungen, die während der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaften getroffen wurden. Während des ›Sommermärchens‹ 2006 in Deutschland wurde die Mehrwertsteuer erhöht, vor vier Jahren die Krankenkassenbeiträge. Da das Volk beim Feiern war, ging das alles ohne Proteste durch.«

Aber was könnte uns diesmal drohen? Uhle listet auf: »Ob es Dobrindts Pkw-Maut ist oder Gabriel die Öko-Reform einfach mal einsammelt, ob man Drohnen in Kampfgebiete losschicken wird oder Finanzminister Schäuble im Eilverfahren die Lebensversicherungen neu erfinden will - Ideen gibt es viele, die man während der WM durchdrücken kann. Es guckt ja kaum jemand hin.«

Ob die These von der großen Ablenkung durch Sportgroßereignisse trägt, ist indes fraglich. Eigentlich ist ja in den Massenmedien immer etwas los, was als Ablenkungsmanöver interpretiert werden kann. Und Journalisten kommt dabei immer weniger eine aktive Rolle zu. Das meint jedenfalls der US-Journalist Jeff Jarvis. Als Vermittler von Informationen seien diese im Zeitalter des Internet nicht mehr zwingend notwendig, wird er vom Online-Medienmagazin meedia.de zitiert. Jarvis, der mit Büchern über das Internet und Google bekannt wurde, fordert: »Die Medien müssen zu Plattformen werden, auf denen sich Menschen austauschen.« Nun sind Journalisten zwar auch Menschen, aber sie verlieren ihr wichtigstes Privileg: das des Informationsvorsprungs. Das hat weitreichende Folgen: »Google weiß, wo ich arbeite und wo ich wohne. Meine Tageszeitung weiß das nicht. Darum behandelt sie mich wie den Teil einer Masse. Aber wir haben keine Massenmedien mehr. Und wir Konsumenten sind keine Masse.«

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