So zufrieden wie noch nie

Volkssolidarität stellt jüngsten Sozialreport vor und fordert gleiche Finanzierung der Pflege

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Pflege wird von den Krankenkassen in Brandenburg nur halb so gut bezahlt wie in Berlin. Der Weggang von Fachkräften droht.

Die Zufriedenheit der Brandenburger mit ihrem Leben nahm in den vergangenen Jahren zu, obwohl es empörende Ungerechtigkeiten gibt. Die Entwicklung könnte mit der Arbeit der rot-roten Koalition zusammenhängen, aber nicht ausschließlich, sagte der Landesvorsitzende Bernd Niederland, als er am Montag den neusten Sozialreport der Volkssolidarität vorstellte.

54 Prozent der 1154 Befragten zeigten sich demnach mit ihrem Leben zufrieden, 2008 waren es 41 Prozent. Die Zufriedenheit liege »so hoch wie noch nie«, erklärte Niederland. Beim sozialen Klima gebe es positive Veränderungen, man denke an die gesunkene Arbeitslosenquote und gestiegene Löhne. Ebenso verbessert habe sich aus Sicht der Befragten die Bilanz der deutschen Einheit, wenn auch immer noch ein Fünftel angibt, dass die Nachteile der Wiedervereinigung für sie größer seien als die Vorteile.

Fakten
  • Die Volkssolidarität zählt in Brandenburg 42 000 Mitglieder, 85 Prozent von ihnen im Rentenalter.
  • Der Sozialverband pflegt fast 10 000 Menschen.
  • Mit dem neuen Heim in Schwarzheide betreibt die Volkssolidarität in Brandenburg jetzt insgesamt sieben Pflegeheime.
  • Zu geringe Sozialleistungen führen 83 Prozent der Befragten auf eine verfehlte Steuerpolitik zurück, 80 Prozent auf die Euro-Rettung und 79 Prozent auf die Ausgaben für Militäreinsätze.
  • 76 Prozent der Befragten sind mit ihrem Hausarzt zufrieden.
  • 68 Prozent wären bereit, den Lebenspartner zu pflegen, 42 würden ihre Eltern pflegen. winei

Pech haben Menschen, die jetzt in Rente gehen. Innerhalb von zehn Jahren habe sich die Renteneinstiegshöhe um 6,4 Prozent vermindert, erklärte Niederland. Wenn die Geldentwertung einbezogen werde, haben Neurentner heute effektiv weniger Geld zur Verfügung als 2004. »Das ist ein wachsendes soziales Problem.« Mütterrente und die mögliche Rente mit 63 Jahren wirken sich wie der verheißene Mindestlohn weniger auf die Zufriedenheit aus, schätzt der Experte ein. Die seien »längst überfällig« gewesen. Zudem sei nun auch wieder die Ungerechtigkeit eine schreiende, denn eine niedrigere Mütterrente für ostdeutsche Frauen sei nicht erklärbar.

Vorbehalte gegenüber Ausländern werden zwar seltener, sind aber nach wie vor »ernüchtern« häufig, erklärte der Vorsitzende. Entgegen aller Lebenswahrheit glaubt mehr als ein Drittel der Brandenburger, dass Menschen mit Migrationshintergrund die sozialen Probleme verschärfen. Und zwei Drittel fordern, Ausländer müssten sich »mehr anpassen«. Weil sie als »soziale Konkurrenten« empfunden werden, ist laut Niederland die Skepsis gegenüber Zuwanderern bei Brandenburgern mit geringem Einkommen stärker ausgeprägt. Insofern stelle es ein politisches Risiko dar, wenn die Armutsgefahr in Brandenburg weiter hoch bleibe. In Brandenburg seien jetzt 18 Prozent der Einwohner armutsgefährdet, vor allem unter 25-jährige und Alleinerziehende. Bei Rentnern, von denen derzeit 13 Prozent als arm gelten, werde der Anteil der Armen künftig stark zunehmen. Gegen den neoliberalen Zeitgeist lasse die Befragung ein eindeutiges Bekenntnis zum Sozialstaat erkennen lassen, unterstrich Niederland. Der Sozialreport gebe eine »relative Zufriedenheit« mit der medizinischen Versorgung wieder, der Renten- und Pflegeversicherung werde dagegen wenig Vertrauen entgegengebracht. Aber das sei erklärbar, da »kein Tag vergeht, an dem die Medien nicht erklären, wie schlimm es um die Rentenversicherung steht«.

Unzufrieden zeigte sich der Landeschef der Volkssolidarität mit Angeboten der privaten Altersversorgung: »Riester-Rente funktioniert nicht, Rürupp-Rente funktioniert nicht.« Wenn nun auch noch die von der Politik gestatteten Abschläge bei den privaten Renten- und Lebensversicherungen hinzukommen, dann werde es für viele ein unangenehmes Erwachen geben.

Beim Thema Pflege setzte es Kritik an der rot-roten Landesregierung. Die Politik lasse zu, dass die Leistungsentgelte in Brandenburg rund 50 Prozent niedriger liegen als in Berlin. Das bedeute, die Arbeit der Fachkräfte werde hier durch die Krankenkassen deutlich schlechter entlohnt. Als »lächerlich« bezeichnete Niederland das Argument von Sozial- und Gesundheitsministerium, dies sei eine Frage der Selbstverwaltung, die Politik könne nicht eingreifen. Bei der Praxisgebühr habe es diesen Eingriff auch gegeben. Die schlechtere Vergütung fördere die Abwanderung von Pflegefachkräften nach Berlin, wo sie 400 bis 500 Euro mehr verdienen.

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