Starke Werfer und schnelle Hürdensprints

Insgesamt wenig Glanz bei den 106. deutschen Meisterschaften in Ulm / Windlotterie im Stabhochsprung

  • Alexandra Kießling, Ulm
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Ein bisschen störte sich Betty Heidler schon daran, dass sie mit ihren Hammerwurf-Kameradinnen mal wieder im Vorprogramm der 106. deutschen Leichtathletik-Meisterschaften am Wochenende in Ulm starten musste. »Das war schon immer so. Ich kenne das gar nicht anders«, sagte sie.
Deshalb hatte sich die Frankfurterin einen kleinen Trick ausgedacht: Als wolle sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf ihre Disziplin lenken, hat Heidler im Vorfeld beim Europacup in Malaga mit vier ungültigen Versuchen ein klassisches Null-Punkte-Ergebnis hingelegt. Unabsichtlich natürlich.
Ob sie nun in Ulm wieder nichts wirft? Das Interesse an ihrer Person und damit auch am Hammerwurfwettbewerb war Heidler sicher. Souverän nutzte die 23-Jährige die Gunst der Stunde. Der deutsche Meistertitel gehört seit Sonnabend mit der Weltklasseweite von 73,59 m ihr. »Wichtig war, dass ich zeigen konnte, dass ich auch in einem wichtigen Wettkampf weit werfen kann«, freute sie sich.

Riedels elfter Streich
Heidlers Wurfkollege Lars Riedel, der Diskus-Koloss aus Chemnitz, sicherte sich seinen elften Meistertitel. Sportliche Ziele hat der 39-Jährige genug, schließlich gibt es für den fünffachen Weltmeister keinen Grund aufzuhören, wenn sich mit dem Sport noch einigermaßen gut Geld verdienen lässt. Von der WM 2007 in Osaka sprach er nach seinem elften Titelstreich. Schließlich könne sich dort der Kreis schließen: »Meinen ersten WM-Triumph habe ich 1991 in Japan gefeiert. Wenn ich meinen letzten Titel auch in Japan holen könnte, wäre das toll.«
Während Riedel im vergangenen Jahr bei den WM in Helsinki noch verlegen herumdruckste, sobald das Gespräch auf seine berufliche Zukunft kam, nannte er in Ulm konkrete Pläne: »Ich arbeite ab Herbst in einer Rehaklinik am Tegernsee in Bayern und mache nebenbei einen Fernstudienkurs als Fitnessökonom.« Was letztlich dabei herauskomme, wüsste er selbst noch nicht. Aber momentan fühle er sich mit diesem Standbein wohl. Und seine neue Liebe (»Ich bin frisch verliebt«) könne er in Bayern auch absolut genießen.
Trotz seines zweiten Meisterschaftsranges mit 62,00 m muss der U-23-Europameister Robert Harting (Berlin) um den EM-Start bangen, da er nur einmal die vom DLV geforderte EM-Norm erfüllt hat. Wie schon zwei Mal bei den WM blieb dem Wattenscheider Michael Möllenbeck (61,75) auch in Ulm nur Bronze.

Erst Titel, dann Abitur
»Ich mache mein Abitur nach. Kugelstoßen allein macht nicht glücklich«, meinte die Neubrandenburgerin Petra Lammert. »Ich habe mit Abi so viele Möglichkeiten, die ich mit der mittleren Reife nicht hätte«, ist die deutsche Meisterin überzeugt. Mit 18,89 m siegte sie in Abwesenheit der Olympiazweiten und Mitfavoritin Nadine Kleinert (Magdeburg), deren Schultergelenk-Verletzung auch den EM-Start in Frage stellt.
Richtiggehend Spaß am Sport hatten in Ulm die Olympiazweite Steffi Nerius (Leverkusen) und die Vizeweltmeisterin Christina Obergföll (Offenburg). Die beiden Speerwerferinnen strahlten nach ihrem Wettkampf um die Wette: Nerius, weil sie mit 65,71 m die knapp zehn Jahre jüngere Vizeweltmeisterin in die Schranken weisen konnte (64,07 m), und Obergföll, weil sie einen konstanten Wettkampf abgeliefert hat. Sie führt mit 66,91 m die Jahresweltbestenliste an.
Bei der Windlotterie der Stabhochspringer im Donaustadion hatte ausgerechnet der entthronte Titelverteidiger Tim Lobinger (Köln) als Dritter einen »schwarzen Tag«, buchte aber das Ticket für die EM (7. bis 13. August) in Göteborg. Lobinger verpasste mit 5,60 m seinen neunten Titel, doch hatte er die EM-Norm schon mehrfach erfüllt. Sein Rivale Lars Börgeling (Leverkusen) meisterte bei schwierigen Bedingungen als Bester 5,75 m. »Mein Ziel sind 5,90 und eine zweite EM-Medaille«, sagte der EM-Zweite von 2002, der sich in Ulm vor Richard Spiegelburg (Leverkusen/5,70) seinen zweiten nationalen Titel erkämpfte. Spiegelburg wiederum muss noch um seine EM-Nominierung, die der DLV nun erst am Dienstag bekannt gibt, zittern. Denn die dritte EM-Fahrkarte dürfte vermutlich an Fabian Schulze (Kornwestheim-Ludwigsburg) vergeben werden. Schulze leistete sich in Ulm zwar einen »Salto nullo« bei der Anfangshöhe von 5,50 m, sein Trumpf ist die diesjährige persönliche Bestleistung von 5,81 m.
Neben den guten Weiten der Werfer gab es schnelle Hürdensprints durch Kirsten Bolm (Mannheim/12,84) und den Leipziger Thomas Blaschek (13,38). Über 5000 m gewann Irina Mikitenko (Wattensc...

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