CRIME ARK
Macht Primark hässlich? Der Textildiscounter eröffnete eine Filiale im Herzen Berlins
Am Dienstag eröffnete am Alexanderplatz die zweite Berliner Filiale des irischen Textildiscounters, der wegen eingenähter Hilferufe aus seinen Produktionsstätten gerade mal wieder in den Negativschlagzeilen steht.
Die BUND-Jugend und das Netzwerk INKOTA luden zu Protesten ein. Mit einer Kleidertauschbörse zeigten sie, dass man auch auf solidarische Weise an schicke Kleidungsstücke kommen kann – ganz ohne Geld. Der Platz am Brunnen der Völkerfreundschaft wurde zu einer großen Free-Box. Wie aus Umsonstläden bekannt, nutzen unzählige das Angebot, ihre Kleiderschränke aufzufrischen.
Dazu boten die Protestorganisatoren Hintergrundinformationen unter der Überschrift »Fast Fashion kills« auf Stellwänden und Flugblättern. Nach dem Zusammensturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013 mit über 1100 Toten und 1500 Verletzten wurde die #untragbar-Kampagne gegen Ausbeutung in der Textilindustrie ins Leben gerufen. Sie soll die Textilfirmen unter Druck setzen, damit sie sich an internationale Standards halten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne garantieren. medico international unterstützt außerdem pakistanische und bangladeschische Organisationen im Kampf um Entschädigung.
Menschenmassen auf dem Alexanderplatz
Primark Berlin hatte vorgebeugt. Unzählige Securitys bewachten das Ladengeschäft, ein DJ legte laute Musik auf, um den nur wenige Schritte entfernten Protest unhörbar zu machen. Sichtbar war er dennoch, nicht zuletzt aufgrund subversiver Aktionsideen: Passanten trugen die bekannten brauen Primark-Papiertüten – allerdings mit der Aufschrift »CRIME ARK«.
Schon Stunden vor der Eröffnung reihten sich Kunden zwischen den Gittern ein, die die Billigtextilkette vor ihrem Eingang schlängelnd aufgebaut hatte. Wenn man sie genau anschaute, musste man unweigerlich an den aktuellen FAZ-Artikel »Primark macht hässlich« denken, in dem die Autorin zum Boykott aufruft und schreibt: »Vielleicht glauben Sie, Primark mache Sie schön. Nein, macht es nicht. Primark macht hässlich, weil man Ihnen ansieht, dass Sie sich nichts wert sind und dass andere Ihnen auch nichts wert sind.«
Aber muss man Primark-Kunden als hässlich beschimpfen? Reicht es nicht aus, wenn alle wissen, dass sie den Konsum der Billigklamotten zur Darstellung ihres äußeren Erscheinungsbildes nutzen, weil sie nichts anderes haben, um Selbstbestätigung zu finden? Muss man diesen armen Menschen Schuldgefühle machen, weil sie Mitverantwortung für das Elend im globalen Süden tragen? Welche Kaufalternativen haben sie? Unter den Aktivist/innen gehen die Meinungen dazu auseinander, wie am vergangenen Wochenende auf der III. Transformationstagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu hören war.
Immer wieder kommt es zu Protesten gegen Primark und andere Textilketten. »Über Geschmack lässt sich streiten, über Ausbeutung nicht« heißt es dann oder wie im vergangenen Jahr bei Blockupy: »Eure Mode ist so fesch, wie der Tod in Bangladesch«. Aufrufe zum Boykott gibt es dabei selten. Statt nur die Kunden nehmen die Aktivisten dabei auch die Politik in Verantwortung. Die müsse Rahmenbedingungen für bessere ökosoziale Standards in der globalen Lieferkette schaffen. Dazu gehören Transparenz-, Offenlegungs- und auch Haftungspflichten.
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