US-Botschafter ins Auswärtige Amt gebeten

Spionierte BND-Mann den NSA-Ausschuss aus? 31-Jähriger soll im Auftrag eines US-Geheimdienstes Bundestagsgremium ausgeforscht haben / Festnahme wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit

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Berlin. Nach der Festnahme eines mutmaßlichen US-Spions im Bundesnachrichtendienst (BND) ist der Botschafter der USA, John B. Emerson, ins Auswärtige Amt gebeten worden. Staatssekretär Stephan Steinlein habe ihn bei dem Gespräch am Freitagnachmittag gebeten, »an einer zügigen Aufklärung mitzuwirken«, teilte das Auswärtige Amt mit.

Zuvor war bekannt geworden, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes im Verdacht steht, den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Auftrag eines US-Geheimdienstes ausspioniert zu haben. Dies berichten NDR, WDR und »Süddeutsche Zeitung«. Wie der Generalbundesanwalt am Freitag mitteilte, habe man einen Beschuldigten am Mittwoch »im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen durch Beamte des Bundeskriminalamts vorläufig festnehmen lassen«. Mit den weiteren polizeilichen Ermittlungen sei das Bundeskriminalamt beauftragt worden.

Die Zusammenarbeit von BND und NSA

In der NSA-Spähaffäre wird immer wieder die Frage nach der Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) aufgeworfen. Der deutsche Auslandsgeheimdienst kooperiert seit Jahrzehnten mit der National Security Agency. Bundesregierung und BND versichern, sich an die Gesetze zu halten.

Im BND-Gesetz regelt Paragraf 9, wann Informationen einschließlich personenbezogener Daten weitergegeben werden dürfen. Eine Übermittlung ist »nur zulässig, wenn sie zur Wahrung außen- und sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist und das Bundeskanzleramt seine Zustimmung erteilt hat«. Dabei wird auf das Bundesverfassungsschutzgesetz verwiesen.

Thomas Drake, ein früherer Mitarbeiter des US-Geheimdienstes, hatte erst in der Nacht zum Freitag vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gesagt, dass der BND »extrem« eng mit der NSA zusammenarbeite. BND und NSA würden teils in Kooperation alle Daten aufgreifen, die Deutschland durchquerten. Der Austausch sei viel intensiver als bisher gedacht.

Routine sei es geworden, dass die Dienste Ausspähungen im eigenen Land von Partnerdiensten ausführen ließen, wenn sie ihnen selbst verboten seien, sagte Drake. Einem früheren Abkommen von NSA und BND sei im Jahr 2002 neues Leben eingehaucht worden. »Dieses Datenaustauschabkommen war relativ breit gefasst.« Daten aus Deutschland seien auch für den Drohnenkrieg der USA geflossen.

Wiederholt haben Medien unter Berufung auf Material des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über eine Zusammenarbeit des BND mit dem US-Dienst berichtet. So hatte vor rund zweieinhalb Wochen »Spiegel Online« vertrauliche Dokumente veröffentlicht. Demnach gab es einen Austausch über den Einsatz der NSA-Software XKeyscore, mit der Datenströme gezielt durchsucht werden können. Im bayerischen Bad Aibling arbeitet Personal von NSA und BND an gemeinsamen Projekten.

Ein paar Tage später berichteten »Süddeutsche Zeitung«, NDR und WDR, dass der Bundesnachrichtendienst vermutlich von 2004 bis 2007 am Internet-Knotenpunkt De-Cix in Frankfurt/Main Daten abgefangen und an den US-Geheimdienst weitergeleitet habe. dpa/nd

Dem Mann wird vorgeworfen, für ausländische Nachrichtendienste tätig gewesen zu sein - offenbar interessierte dieser sich für den NSA-Untersuchungsausschuss. Wie die »Süddeutsche« berichtet, hätten sich am Donnerstagabend bereits das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags und die Obleute des NSA-Untersuchungsausschusses in einer gemeinsamen Sondersitzung mit dem Fall befasst. Der Geheimdienst-Mitarbeiter soll mehrfach von einem US-Dienst befragt worden sein und dabei »mindestens einmal über die Aktivitäten des NSA-Untersuchungsausschusses in die USA berichtet haben«, so das Blatt.

Der NDR meldet: »Der 31-Jährige war unter dem Verdacht festgenommen worden, Kontakt zum russischen Geheimdienst gesucht zu haben. In Vernehmungen soll der BND-Mitarbeiter dann aber gestanden haben, Informationen an einen US-Dienst geliefert zu haben. Die Ermittler überprüfen derzeit die Angaben des Verdächtigen.«

Nach Informationen der »Bild«-Zeitung soll der BND-Mann mindestens zwei Jahre lang als »Doppelagent« aktiv gewesen sein. Das Blatt berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass er seit 2012 insgesamt 218 BND-Geheimpapiere gestohlen und auf einem USB-Stick gespeichert habe. Bei drei konspirativen Treffen mit US-Geheimdienstlern in Österreich soll er Dokumente für insgesamt 25 000 Euro verkauft haben. Darunter seien auch mindestens drei Dokumente mit Bezug zum NSA-Ausschuss gewesen.

Die Grünen-Politikerin Steffi Lemke sagte, sie sei nun auf eine Erklärung Frau Merkels gespannt. Wie ein Journalist des ZDF auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, habe ein Regierungssprecher darauf verwiesen, dass Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag über der Festnahme des BND-Mitarbeiters informiert worden sei. Er zitierte den Sprecher mit den Worten: »Das ist ein ernster Vorgang und ein schwerer Verdacht«, man nehme den Fall »nicht auf die leichte Schulter«.

Linksfraktion fordert politische Konsequenzen

»Wir müssen inzwischen wohl davon ausgehen, dass die NSA alle ins Visier nimmt, die auf die Enthüllungen von Edward Snowden und die uferlose Geheimdienst-Überwachungspraxis reagieren”, meint die Obfrau der Linksfraktion, Martina Renner. Das betreffe Journalisten ebenso wie Studenten, Parlamentarier und Bürger, die sich durch die Verschlüsselung ihrer E-Mails vor der Sammelwut der Geheimdienste schützen wollten. Ihre Fraktion erwarte, «dass es nun auch politische Konsequenzen gibt: Die Bundesregierung muss den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger endlich wichtiger nehmen als die Interessen deutscher und US-amerikanischer Geheimdienste.” Generalbundesanwalt Harald Range müsse im Fall der Massenüberwachung von möglicherweise Millionen von Bürgerinnen und Bürgern genauso schnell handeln wie im Fall des unter Spionageverdachts stehenden BND-Mitarbeiters. »Und die Bundesregierung muss aufhören, die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses auszubremsen«, betonte Renner

Der Verdacht konkreter Spionagetätigkeit gegen den parlamentarischen Untersuchungsausschuss wiege schwer und müsse »als gravierende Straftat verfolgt werden«, sagte der Obmann der Grünen, Konstantin Notz. Er forderte, das Parlament müsse laufend und umfassend über den Stand der Ermittlungen informiert werden. »Wir müssen verhindern, dass die notwendige parlamentarische Aufklärungsarbeit den geheimdienstlichen Manipulationen ausländischer Nachrichtendienste ausgesetzt ist. Das Parlament muss jetzt zeigen, dass es die Dienste begrenzt und kontrolliert – und nicht die Dienste das Parlament.«

Auch die SPD zeigte sich alarmiert: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach von einem »unerhörten Angriff auf die Freiheit des Parlaments und unsere demokratischen Institutionen insgesamt«, sollte an dem Verdacht etwas dran sein. Die USA hätten jetzt »eine Bringschuld bei der Aufklärung«.

Die deutschen Sicherheitsbehörden befürchten schon länger, dass der Ausschuss von ausländischen Diensten bespitzelt wird. An die Obleute wurden besonders gesicherte Handys ausgegeben. Zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Geheimschutzstelle des Bundestags verstärkt.

nd/mit Agenturen

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