England fehlt Lust auf den Olympiakick

Gesamtbritisches Team für die Spiele 2012?

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

England (23. April), Schottland (30. November), Wales (1. März) und Nordirland (17. März) haben, orientiert an ihren Schutzheiligen St. George, St. Andrew, St. David und St. Patrick, ihren Nationaltag. Großbritannien dagegen kennt keinen Nationalfeiertag. Warum sollte es da eine Fußball-Nationalmannschaft haben, die alle vier Landesteile repräsentiert?

Labour-Premier Tony Blair aber findet genau das angemessen, wenn auch nur für die Olympischen Spiele. Deshalb sprach er sich vorige Woche für ein gesamtbritisches Nationalteam der Verbände England, Schottland, Wales und Nordirland aus. »Ich denke, das ist eine tolle Idee«, erklärte er und warnte mit Blick auf die Sommerspiele 2012 in London vor einer »Schande, wenn wir kein eigenes Team bilden könnten«. Nachfragen des ND bei den Landesverbänden zeigten freilich, dass Blairs Idee nicht alle so toll finden. Ein Pressesprecher der englischen Football Association (FA) in London bestätigte »die Vorreiterrolle des englischen Verbands in dieser Frage und die Unterstützung durch die nordirische Schwesterorganisation. Es gehe aber mitnichten um die Bildung einer gesamtbritischen Nationalmannschaft für alle Wettkämpfe, sondern »um den Sonderfall Olympia und zwar für britische Nationalteams sowohl bei den Männern, den Frauen als auch den Paralympics«. Sollte es keine Zustimmung aus Schottland und Wales geben, fügte der Sprecher an, könne er »sich vorstellen, dass Spieler aus England und Nordirland allein« Großbritannien bei Olympia repräsentierten. Die Antwort aus Schottland ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Catherine MacDonald von der Scottish FA erklärte, dass sich Schottland auch fußballerisch »als eigenständige Nation verstehe. Unter Fans wie Spielern besteht Konsens in diesem Land, dass es keine Britische Fußballnationalmannschaft geben sollte. Vielmehr gibt es die Sorge, dass ein solches Team den Fußballweltverband FIFA geradezu einladen würde, darauf zu drängen, dass sich die Briten ständig unter einer Flagge versammeln. Das aber«, so Frau MacDonald, »ist nicht das, was die Schottland-Anhänger wünschen.« Der Generalsekretär der walisischen FA hieb in die gleiche Kerbe. David Collins sagte, sein Verband sei »voll und ganz gegen den Vorschlag Blairs«, weil er »den Tatbestand, dass Wales eine eigene Nation ist, außer acht lässt« und nur dazu führen könne, die Eigenständigkeit der vier britischen Verbände in der FIFA zu gefährden. Da die neu geschaffenen Parlamente in Schottland und Wales 2007 »neue gesetzgeberische Befugnisse erhalten werden, wäre es unlogisch, die Selbstständigkeit der walisischen Nation im Fußball einzuschränken«. Der Konflikt ist nicht neu. Er ist historischer wie regelrechtlicher Natur. Im Fußball entsendet jeder der vier nationalen Verbände, die der FIFA angehören, eigene Teams zu Meisterschaften. Für die Endrunde der Fußball-WM 2006 konnte sich diesmal allerdings nur England qualifizieren. Olympia wiederum ist ein Sonderfall. Nach den olympischen Regeln wird Großbritannien und Nordirland als einheitliches Land betrachtet. Etwaige britische Teams, die am Olympischen Fußballturnier teilnehmen, vertreten damit die Insel, was immer die Einzelverbände äußern. Sollte Blairs Appell, der sich die Position des Verbands mit dem größten Gewicht, der Englischen F.A, zueigen macht, am Ende durchsetzen, wäre eine britische Fußball-Olympiaelf 2012 die erste seit München 1972. Damals scheiterten die Briten gegen Bulgarien bereits in der Qualifikation. 1974 hob der Rat der Football Association dann die Unterscheidung zwischen Amateur- und Profi-Spielern in England auf. Da damals bei Olympia nur als Amateure geltende Spieler teilnehmen durften, glänzen die Briten seitdem durch Abwesenheit bei Olympia. Wie immer die jetzige Initiative endet, Blairs Vorstoß ist verständlich. Fußballturniere bei Olympia in London ohne britische Beteiligung wären ein Anachronismus. Mindestens genauso groß wie das Fortbestehen der vie...

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