Absturz vom Sozialgipfel
Ralf Klingsieck über Regierung und Gewerkschaften in Frankreich
Anfang der Woche hatten Präsident François Hollande und sein Premier Manuel Valls zur dritten Sozialkonferenz geladen. Doch diese Hochmesse des sozialen Dialogs stand unter keinem guten Stern. Der Unternehmerverband Medef hatte wegen angekündigter Maßnahmen zugunsten von unter besonders schwer arbeitenden Beschäftigten mit Boykott gedroht. Darauf knickte Regierungschef Manuel Valls ein und setzte die Neuregelung aus.
Das war für die Gewerkschaften CGT und FO der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ihre Vorsitzenden Thierry Lepaon und Jean-Claude Mailly kamen zur Eröffnung der Konferenz, machten ihren Punkt nach der Eröffnungsrede des Präsidenten klar und gingen. Bis zum Abschluss blieben ihre Stühle leer. Die kämpferischen Gewerkschaften CGT und FO machten damit deutlich, dass sie sich nicht mit der Rolle von Statisten abzufinden bereit sind, die ihnen im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik des sozialdemokratischen Präsidenten Hollande und seines sozialliberalen Premiers Valls zugedacht ist. CGT und FO grenzen sich damit deutlich ab von der CFDT, der CGC und anderen reformistischen Gewerkschaften, die die Regierung willfährig bei ihren oft stark umstrittenen Reformen unterstützen.
Dabei müsste Hollande klar sein, dass sich die Unternehmer nicht mit dem kleinen Finger und auch nicht mit der Hand zufrieden geben, sondern den ganzen Arm wollen. Zum Auftakt seiner Amtszeit hat der Präsident den Unternehmen 20 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben erlassen - allein in der Hoffnung, das dies deren Wettbewerbsfähigkeit erhöht und sie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bewegt. Die Unternehmer haben kassiert, aber die neuen Stellen sind ausgeblieben, die Arbeitslosigkeit steigt weiter.
Jetzt dient Hollande den Unternehmern einen »Solidarpakt« mit weiteren Steuergeschenken in Milliardenhöhe an, auch wenn die es weiter ablehnen, irgendwelche Zusagen für mehr Beschäftigung zu machen. Warum auch, sie wissen, dass sie früher oder später bekommen, was sie wollen. Nicht zuletzt um die Mittel für diese Geschenke aufzubringen, hat die Regierung die Kürzung der öffentlichen Ausgaben um 50 Milliarden Euro eingeleitet, ungeachtet der Folgen, die das für das Gesundheitswesen und den Bildungsbereich, für das soziale Netz und die öffentliche Sicherheit hat.
Bei der Sozialkonferenz haben CGT und FO dem Präsidenten einen Strich durch die Rechnung gemacht, wenn er hoffte, neuen Zugeständnissen an die Unternehmer das Mäntelchen des sozialen Dialogs umhängen zu können. Der Gipfel ist eine herbe Niederlage für Hollande, sind sich alle Kommentatoren einig. Die Regierung scheint das begriffen zu haben: Obwohl ursprünglich für jedes Jahr von Hollandes Amtszeit geplant, wurde jetzt für 2015 vorsichtshalber keine vierte Sozialkonferenz angekündigt.
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