Der Pfleger und der Maulkorb
Die Schmieder-Kliniken im Südwesten feiern - wer den Personalmangel kritisiert, fliegt raus
Die Schmieder-Kliniken genießen auf dem Gebiet der neurologischen Rehabilitation bundesweit einen guten Ruf. Erst kürzlich hat man den Hauptstandort in Allensbach im Süden Baden-Württembergs erweitert und dafür rund 15 Millionen Euro in die Hand genommen. Das Familienunternehmen betreibt im Südwesten sechs Kliniken mit insgesamt 1800 Beschäftigten, die in nunmehr 1100 Betten jährlich rund 13 000 PatientInnen betreuen. Damit zählt Schmieder zu den größten Arbeitgebern im Landkreis Konstanz. Der Umsatz der Gruppe lag 2012 bei rund 100 Millionen Euro.
Doch der Hausfriede ist zur Zeit empfindlich gestört: Der Krankenpfleger Karl-Heinz G. machte zusammen mit der Gewerkschaft ver.di darauf aufmerksam, dass es mit der Personalbemessung bei der Pflege in der Klinik nicht zum Besten bestellt sei. Wenn man schon viel Geld in die Erweiterung der Klinik stecke, so der allgemeine Vorwurf, solle man sich auch um den Personalmangel und die qualitätsmindernde Leistungsverdichtung kümmern. Aus diesem Grund hängte Karl-Heinz G. - er ist Ersatzmitglied des Betriebsrates - am 27. Mai außerhalb des Klinikgeländes zwei ver.di-Transparente auf mit dem Text: »Gesundheit braucht Personal, Personalbemessung per Gesetz«.
Das gefiel der Klinikleitung überhaupt nicht, denn anlässlich des 40-jährigen Schmieder-Jubiläums hatte sich viel Prominenz aus Nah und Fern angekündigt. Man bestellte den Pfleger, der seit 2009 in dem Unternehmen beschäftigt ist, zu einer Verdachtskündigung ein, denn laut einer ärztlichen Bescheinigung sei er vom 26. Mai bis zum 2. Juni 2014 arbeitsunfähig gewesen. Dennoch habe man ihn während dieser Zeit beim Aufhängen der ver.di-Plakate beobachtet.
Am 3. Juni leitete die Klinik die Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten fristlosen Kündigung ein, die aber abgelehnt wurde. Der Betriebsrat hatte dem Pfleger empfohlen, ein weiteres ärztliches Attest vorzulegen, dass körperliche Schonung oder Bettruhe für seinen Genesungsprozess nicht erforderlich wäre. Diese ergänzende ärztliche Bescheinigung wurde bei der Personalabteilung auch eingereicht, interessierte aber die Geschäftsleitung nicht - sie kündigte dem Pfleger fristlos.
Die Gewerkschaft ver.di reagierte umgehend, solidarisierte sich mit ihrem Kollegen und demonstrierte am 5. Juli vor den Schmieder-Kliniken am »Tag der offenen Tür« - sehr zum Verdruss der Klinikleitung, der eher zum Feiern zumute war. Die zahlreichen Besucher konnten auf Transparenten und Flugblättern lesen: »Wir wollen das Beste für die Patienten. Wir wollen gute Arbeit machen. Wir wollen von unserer Arbeit gut leben können. Wir wollen einen zuverlässigen Dienstplan und familienfreundliche Arbeitszeiten. Wir wollen unbefristete Arbeitsverträge. Wir wollen das Rentenalter gesund erreichen und von der Rente gut leben können.«
Seitdem hagelt es bundesweit Proteste, in denen die Geschäftsleitung aufgefordert wird, die Kündigung des Pflegers unverzüglich zurückzunehmen. In der regionalen Tageszeitung »Südkurier« war bislang nichts über die Aktionen zu lesen, man will es sich mit dem einflussreichen Arbeitgeber vor Ort wohl nicht verscherzen. Ausführlich berichtet hingegen hat das linke Onlinemagazin »seemoz«, auf dessen Kommentarleiste sich auch Beschäftigte der Schmieder-Kliniken zu Wort melden und ihren Arbeitgeber zum Teil scharf kritisieren.
Der erste Arbeitsgerichtstermin im Kündigungsschutzverfahren von Karl-Heinz G. findet am 17. Juli vor dem Arbeitsgericht Radolfzell statt. Dabei handelt es sich um einen öffentlichen Gütetermin, bei dem versucht werden soll, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Erst wenn Schmieder auch dann nicht einlenkt, kommt es zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.