»Russland heute« für Südamerika morgen

Präsident Putin will neben wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch politischen Einfluss ausbauen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Als geopolitische Charmeoffensive werten Beobachter die Reise des russischen Staatschefs in den Süden des amerikanischen Kontinents.

Die erste Auslandsreise seit Beginn der Ukraine-Krise führte Russlands Präsidenten Wladimir Putin nach Osten: nach China, zu Russlands strategischem Partner. Die zweite, die Freitag begann und zu den ausgedehntesten zählt, die der Staatschef je unternahm, führt ihn nach Westen. Gesprächsbedarf sieht Putin dabei nicht mit den Amtskollegen aus Europa und den USA, sondern mit Staatschefs Lateinamerikas. In Kuba, in Argentinien und in Brasilien, wo am 15. und 16. Juli auch der Gipfel der Schwellenländer mit dem weltweit größten Wachstum stattfindet: der BRICS-Staaten. Das Kürzel setzt sich aus den Anfangsbuchstaben ihrer Namen zusammen: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika.

Es ist bereits Moskaus zweite Luftlandeoperation auf dem Subkontinent. Die erste absolvierte Dmitri Medwedjew während seines vierjährigen Gastspiels als Präsident im Kreml. Es galt wieder Boden zu gewinnen in Süd- und Mittelamerika, wo Moskau zu Sowjetzeiten viele Freunde hatte. Kapital, das Boris Jelzin angesichts überbordender Probleme des postkommunistischen Russlands in den Neunzigern verspielte. Zum Neustart ermutigte Kreml und Außenamt 2010 auch der Siegeszug der Linken zwischen Anden und Kordilleren. Hier stehen Politiker Washington eher kritisch, Moskau dagegen eher wohlwollend gegenüber. Auch bei der Krimkrise. Für Argentiniens Präsidentin Christina Fernandes de Kirchner Anlass, den USA »doppelte Standards« vorzuwerfen.

Mit Argentinien, wo er am Sonnabend einschwebt, will Putin daher auch ein Abkommen unterzeichnen, das die technischen Voraussetzungen für den Empfang von »Russia today« auf dem gesamten Subkontinent schaffen soll. Das Auslandsfernsehen »Russland heute« bietet seit ein paar Jahren ein Vollprogramm in Spanisch. Das könnte sich auszahlen. Denn neben der Vertiefung der Wirtschaftskooperation, bei der russische Unternehmen - vor allem aus dem Energiebereich - sich an der Erschließung und Ausbeute von Rohstofflagern beteiligen sollen, will Putin sich auch um den Ausbau der politischen Zusammenarbeit bemühen.

Kuba, dessen außenpolitische Positionen mit denen Russlands weitgehend übereinstimmen, erließ Russland unmittelbar vor dem Abflug 90 Prozent der Altschulden. Die Insel der Freiheit stand bei der Sowjetunion mit insgesamt 35,2 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Der Rest soll durch Erlöse von Gemeinschaftsunternehmen getilgt werden. Eine Beteiligung anderer Staaten der Region würde Moskau begrüßen. Auch darf Russland auf Kuba Bodenstationen für sein Navigationssystem GLONASS errichten. Das dürfte die Spannungen zu den USA weiter verschärfen. Dort glaubt man, die GLONASS-Satelliten dienten vor allem militärischen Zwecken. Kenner der Materie wollten nicht einmal ausschließen, dass Putin mit Raul Castro und Fidel auch über die Wiederinbetriebnahme der aufgegebenen sowjetischen Truppenbasis redet.

Präsident Putin werde beim BRICS-Gipfel die Lage in der Ukraine und in Syrien sowie das Nahost-Problem erörtern, hieß es. Gern würde er ja auch die BRICS-Staaten, auf die 90 Prozent der Weltbevölkerung entfallen, auf eine gemeinsame Außenpolitik festlegen. Doch seine Amtskollegen sind bisher nur zu wirtschaftlicher Integration bereit. Das Fernziel wäre, die USA als Weltmarktführer zu beerben. Derzeit liegt der Anteil des Kartells an der weltwirtschaftlichen Gesamtleistung bei gerade einmal 21,1 Prozent.

Umso ambitionierter sind die Pläne: Gründung einer Entwicklungsbank mit Stammkapital von 100 Milliarden US-Dollar und Sitz in Shanghai sowie Bildung eines Pools alternativer Währungsreserven. Die Abkommen sollen im Beisein der Staatschefs unterzeichnet werden. Das, so heißt es in einer Mitteilung des Kreml-Pressedienstes, sei der Beginn einer »realen makroökonomischen Zusammenarbeit der BRICS-Staaten«. Deren neue Institutionen würden das globale Finanzsystem stärken, was »angesichts der Sackgasse, in die sich der Internationale Währungsfonds mit seinen Reformen manövriert hat, von besonderer Bedeutung« sei.

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