Deadline, Tote und trotzige Feinde
Im neuen israelisch-palästinensischen Waffengang ist keine Seite zum Einlenken bereit
Es herrscht gespanntes Warten. Am Samstagabend hatte Israels Luftwaffe Flugblätter über dem nördlichen Gaza-Streifen abgeworfen. Die Menschen sollten bis Sonntagmittag, 12 Uhr, ihre Häuser verlassen. Danach, so die Ankündigung, drohten verstärkte Luftangriffe in dem Gebiet. Man sei zu dem Ergebnis gelangt, dass 36 Prozent der Raketen, die in Israel niedergehen, von dort aus abgefeuert werden, so die Militärsprecher.
Die Deadline verstrich, ohne dass in den Stunden danach eine Veränderung zu beobachten war. Die Luftangriffe gingen, ebenso wie die Raketenabschüsse, mit unveränderter Intensität weiter. Zum Vergleich: Während des 38-tägigen Libanon-Krieges 2006 wurden insgesamt an die 4000 Luftangriffe geflogen, und rund 12 000 Raketen auf Israel abgefeuert. In den sieben Tagen seit dem offiziellen Beginn der Militäroperation wurden um die 1500 Ziele im Gaza-Streifen bombardiert; die Gesamtzahl der Raketen liegt bei 1000. Am Sonntagnachmittag bezifferte das palästinensische Gesundheitsministerium die Zahl der Toten auf 176. Von der israelischen Seite wurden bislang keine Todesopfer gemeldet. Aber die israelischen Behörden sind, anders als bei der Bekanntgabe der Raketeneinschläge, sehr zurückhaltend, was das Melden von Toten und Verletzten betrifft.
In mehreren Notaufnahmen berichtet man allerdings von teils schweren Verletzungen, die von ihrem Muster her auf die Trümmer als Ursache hindeuten, die bei der Zerstörung der Raketen durch das »Eiserne Kuppel«-System in der Luft entstehen. In Beer Schewa wird von mindestens drei Toten berichtet, deren Verletzungen sich mit den Kampfhandlungen in Verbindung bringen lassen. Israels Regierung und Militär betonen indes, der Raketenbeschuss laufe nahezu voll ins Leere; er erfülle die Erwartung der palästinensischen Kampfgruppen nicht, möglichst viel Zerstörung anzurichten.
Am Sonntag wurden erstmals Bodentruppen in den Gaza-Streifen entsandt: Eine Elite-Einheit sollte eine Abschussbasis für Raketen zerstören. Bei den Kampfhandlungen wurden vier der Soldaten leicht verletzt. In Jerusalem beriet derweil das Kabinett über den Beginn einer Bodenoffensive. Man sei bereit, teilte die Armee mit; man warte nur auf den Einsatzbefehl. Aber: Auch innerhalb des Militärs ist der Einsatz von Bodentruppen umstritten. So ist Generalmajor Amir Eshel, der Kommandant der Luftwaffe, der Ansicht, Luftangriffe reichten aus, um das Ziel zu erreichen.
Im Ausland laufen derweil die Bemühungen um einen Waffenstillstand auf Hochtouren: Ägypten und Katar, zwei Länder, deren Regierungen in den vergangenen Monaten selbst auf Kriegsfuß zueinander standen, haben am Samstagabend einen gemeinsamen Vorschlag für eine Waffenruhe vorgelegt. In Ägypten befürchtet man, dass auch von der Sinai-Halbinsel, wo Ägyptens Sicherheitskräfte seit Monaten mit militanten Gruppen kämpfen, Raketen auf Israel abgefeuert werden könnten. Und Katar, dass traditionell den Dialog mit islamischen Gruppen, aber auch westlichen Regierungen sucht, ist momentan das einzige Land, dass ausreichenden Einfluss im Gaza-Streifen hat.
Doch Israels Regierung zeigt sich zwar gesprächsbereit, macht eine Waffenruhe aber von einer Demilitarisierung des Gaza-Streifens abhängig. Die Hamas indes fordert die Freilassung der Häftlinge, die bei der Militäroperation im Westjordanland Ende Juni gefangenen genommen worden waren, und eine Lockerung der Blockade. An diesem Montag will zudem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach Israel und Palästina reisen. Am Sonntag traf er sich am Rande der Iran-Gespräche in Wien mit den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und der USA, um über den Konflikt zu sprechen.
Für Aufregung hat in der internationalen Gemeinschaft gesorgt, dass Netanjahu am Sonntag auch damit begann, den Fokus auf Iran auszurichten: Das Land finanziere die Hamas, Israel werde keinesfalls akzeptieren, dass Iran sein Nuklearprogramm fortsetzt.
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