Waffenruhe in Nahost: Noch nicht geschlossen, schon gebrochen
Fast 200 Tote im Gazastreifen / UN spricht von 80 Prozent zivilien Opfern, Arabische Liga von «Kriegsverbrechen»
Tel Aviv/ Gaza. Die Waffen in Nahost schießen wieder, sofern sie überhaupt je geschwiegen haben. Am Dienstagnachmittag setzte Israel seine Angriffe auf den Gazastreifen fort. Zuvor hatte die Hamas angekündigt über eine Einwilligung in die Waffenruhe zu beraten. Unterdessen flogen allerdings weiter Raketen aus dem Gazastreifen in Richtung Israel. Zu Opfern kam es dabei nicht.
Ob es überhaupt eine offizielle Waffenruhe in Nahost gab, ist ohnehin unklar: Das israelische Sicherheitskabinett hatte eine von Ägypten vorgeschlagene Waffenruhe mit der Hamas am Dienstagmorgen akzeptiert. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu teilte am Dienstag mit, die Feuerpause werde nach einem von Ägypten vorgelegten Fahrplan am Dienstagmorgen um 8.00 Uhr MESZ in Kraft treten. Binnen 48 Stunden sollten hochrangige Delegationen Israels und der Palästinenser nach Kairo reisen, um indirekte Gespräche zu führen und eine Lösung der Krise auszuhandeln.
Der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Qassam-Brigaden, schrieb hingegen auf seiner Website, man habe keinerlei Informationen über die «angebliche Initiative» erhalten - «weder offiziell noch inoffiziell». Die vermeintliche Übereinkunft sei «nicht die Tinte wert, mit der sie geschrieben wurde». Die Miliz forderte Israel stattdessen auf die Belagerung der Küstenregion zu beenden und Grenzübergänge zu öffnen.
« Bereits am Montag schob Hamas-Chef Ismael Haniyeh Israel im palästinensischen Fernsehen die alleinige Schuld für die Eskalation zu. Israel habe »den Krieg begonnen, ihn angekündigt, ihn vorbereitet; Frauen, Kinder und Familien getötet Wohnhäuser zerstört.«
Auch der Vorsitzende der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, warf Israel am Montag vor, »Kriegsverbrechen« und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« zu begehen. sagte bei dem Treffen der Organisation in Kairo. »Israel genießt eine politische Immunität, es begeht Verbrechen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden«, sagte al-Arabi. Der palästinensische Außenminister Riad al-Malki sagte, der Konflikt im Gazastreifen sei »kein Krieg zwischen zwei Armeen oder gegen die Hamas, sondern gegen das gesamte palästinensische Volk und gegen seine Rechte«.
Die Zahl der Toten im Gazastreifen stieg auch in der Nacht auf Dienstag weiter an. Seit beginn der israelischen Luftangriffe starben nach Angaben palästinensischer Gesundheitsbehörden 194 Menschen. 1390 Palästinenser wurden im Gazastreifen verletzt. Den Vereinten Nationen handelt es sich bei mindestens 80 Prozent der Opfer um Zivilisten. Durch palästinensische Raketenangriffe in Richtung Israel wurden zehn Israelis verletzt. fak/ mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.