Bernau drängt es ins Welterbe
Bauhaus-Ensemble der Bundesschule soll bis 2019 für UNESCO-Liste fitgemacht werden
Das Baudenkmal liegt gut versteckt im Wald von Bernau (Barnim), kein Hinweisschild lässt erahnen, dass aus diesem Kleinod einmal Großes werden könnte: Die von den Bauhaus-Architekten Hannes Meyer und Hans Wittwer im Jahr 1930 im heutigen Stadtteil Waldfrieden erbaute Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) soll spätestens 2019 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden. So jedenfalls will es der Förderverein für das Bauensemble. Die Gebäude sind zwar schon denkmalgerecht saniert. Die Handwerkskammer Berlin bringt dort seit 2001 Gerüstbauer-Lehrlinge unter. Doch in die Außenanlagen und in die übrige Ausstattung für die erhofften Besucher müssen noch gut 4,5 Millionen Euro investiert werden.
Noch verhandeln die Beteiligten - darunter das Land Brandenburg und die Stadt Bernau - darüber, wer das bezahlen soll. Doch die Zeit drängt, denn der Termin 2019 ist mit Bedacht gewählt: Das Gebäude-Ensemble gilt als eines der Vorzeigeobjekte des Staatlichen Bauhauses Dessau, das im Jahr 2019 seinen 100. Geburtstag feiert.
Die Bundesschule in Bernau-Waldfrieden,
einer der wichtigen Großbauten
des Dessauer Bauhauses,
wurde von Bauhaus-Direktor Hannes
Meyer und vom Meister der Bauabteilung
Hans Wittwer konzipiert.
Fertiggestellt im Mai 1930, steht seit
1977 unter Denkmalschutz.
Die erste zentrale Bildungsstätte des
Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes
(ADGB) bot in den
Wohn- und Unterrichtsräumen Platz
für 120 Lehrgangsteilnehmer. Unterrichtet
wurden sie von fest angestellten
Lehrern.
} Nach der Machtübernahme durch der
Nationalsozialisten besetzte die SA
die Schule. Im Juni 1933 zog die
Reichsführerschule der NSDAP ein.
Später wurde das Ensemble Schulungsstätte
für Angehörige von SS,
Sicherheitsdienst und Gestapo.
Die Rote Armee, die die Gebäude
vorübergehend als Lazarett genutzt
hatte, übergab sie im Frühjahr 1946
dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund
(FDGB). Die Umwandlung
zur Gewerkschaftshochschule
»Fritz Heckert« ab 1951 machte Erweiterungsbauten
notwendig.
Am 4. Mai 1990 wurde der Verein
»baudenkmal bundesschule bernau«,
gegründet, der sich die Bewahrung
des Ensembles zum Ziel setzt. Ab
Oktober 1990 versuchte ein Bildungs-
und Begegnungszentrum
Bernau e.V., hier arbeitnehmerorientierte
Weiterbildung anzubieten.
} Nachdem der DGB auf die Übernahme
verzichtet hatte, verwaltete die
Treuhand das Ensemble. 1993 trat
das Land Brandenburg in den Erbbauvertrag
mit der Stadt Bernau ein.
} Von September 1991 bis August 1998
war die Fachhochschule für öffentliche
Verwaltung des Landes Brandenburg
in den Gebäuden untergebracht.
} Nach mehrjähriger Sanierung nutzt
die Handwerkskammer Berlin die
Hauptgebäude der Bundesschule,
den Meyer-Wittwer-Bau, als Bildungs-
und Innovationszentrum. In
die später erbauten Gebäude sind das
Barnim-Gymnasium und das Landesjugendamt
eingezogen. Die einstigen
Lehrerhäuser sind vermietet. dpa/nd
Der Weg zum Weltkulturerbe ist noch steinig, aber: »Wir machen uns berechtigte Hoffnungen«, sagt Friedemann Seeger, Vorsitzender des Fördervereins »Baudenkmal Bundesschule Bernau«. Die Bauhaus-Stätten in Weimar und Dessau sind bereits als Weltkulturerbe anerkannt, die Bernauer Bundesschule würde diesen nur hinzugefügt. Das mache es einfacher, sagt Seeger.
Die Antragsunterlagen sollen bis Herbst 2015 fertiggestellt sein. Dann wählt die Kultusminister-Konferenz diejenigen Vorschläge aus Deutschland aus, über die das Welterbe-Komitee der UNESCO voraussichtlich im Sommer 2017 entscheidet. Seeger ist zuversichtlich, dass Bernau dabei sein wird. »Es hängt davon ab, wie geschickt wir das präsentieren.«
Prominente Fürsprecher gibt es bereits. »Ich drücke die Daumen«, hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Anfang Mai nach einer Kabinettssitzung in Eberswalde zu den Welterbe-Plänen der Bernauer gesagt. Und auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) soll mit ins Boot geholt werden. Wanka, einst Wissenschaftsministerin der rot-schwarzen Landesregierung in Brandenburg, wisse um die Bedeutung der Bundesschule, so Seeger.
Die ist in der Tat groß. In dem für den ADGB errichteten Ensemble verwirklichten Meyer und Wittwer das sozialpädagogische Programm des Bauhauses. Im Seminargebäude und in den Wohnheimen lebten und lernten die meist jungen Menschen gemeinsam, studierten in der Bibliothek, trieben Sport in der Halle oder in einem Naturbad. Das alles im für die damalige Zeit revolutionären Bauhausstil. »Für 1930 war das supermodern«, sagt Seeger. Und diese Moderne hat die Zeit und Systemwechsel überdauert. Trotz vieler Umbauten und umfassender Sanierung zu Beginn dieses Jahrtausends ist der Bauhaus-Stil unverkennbar.
Das gilt jedoch nur für die Gebäude. Die Außenanlagen seien noch weit davon entfernt, einem Weltkulturerbe gerecht zu werden, sagt der Vorsitzende des Fördervereins. Doch die benötigten 4,5 Millionen Euro kann die Stiftung Baudenkmal Bundesschule Bernau nicht stemmen.
Tourismus, Gastronomie, der Nahverkehr - vom Welterbe-Status könnte die ganze Region profitieren, glaubt der Vereinsvorsitzende. Dem stimmt auch Fanny Behr, Sprecherin der Stadt Bernau, zu. »Wir wollen die Bundesschule über die städtische Tourist-Info stärker bewerben«, sagt sie. Doch bei der Frage nach weiterer finanzieller Unterstützung verweist sie auf die Stiftung, in die die Stadt bereits eine Million Euro eingezahlt habe.
Ähnlich sieht das Gregor Schöning, Leiter des Bildungs- und Innovationszentrums Bernau. Er zeigt sich sehr skeptisch, ob die Handwerkskammer in die Außenanlagen Geld investieren kann. Schließlich hätten die Berliner acht Millionen Euro in die Sanierung der Gebäude gesteckt. Schöning setzt nun darauf, dass sich im Zuge des Bauhaus-Jubiläums Land und Bund am Ausbau beteiligen. »Wenn wir öffentliche Mittel bekommen, werden wir investieren.«
Hans-Georg Moek, Sprecher des Potsdamer Kulturministeriums, kündigt immerhin »in Kürze Gespräche mit der Stadt Bernau, dem Landkreis und weiteren Partnern« hinsichtlich weiterer Investitionen an. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.