Zurück zu den Wurzeln
Simon Poelchau über die Forderung der Bundesbank nach Lohnerhöhungen
Da wird sich der eine oder andere Wirtschaftskommentator denken, dass er sich verhört hat: Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich fordert im aktuellen »Spiegel« die Gewerkschaften zu höheren Tarifabschlüssen auf.
In der Tat mischt sich die Notenbank damit in ungewohnter Weise in die Tarifauseinandersetzungen ein. Wenn sie es in den letzten Jahren tat, so mahnte sie die Gewerkschaften stets zur Lohnzurückhaltung an. Deutschlands oberste Währungshüter haben jedoch zurzeit weniger Angst vor einer hohen Inflationsrate als vor einer nahenden Deflation. Und diese könnte bekämpft werden, indem den Arbeitnehmern mehr Gehalt gezahlt wird. Dadurch würden deren Kaufkraft und letzten Endes auch die Preise wieder steigen. Eine solche Argumentation von Seiten der Bundesbank kommt einer Bankrotterklärung der europäischen Geldpolitik gleich, könnte man meinen. Doch eins ist wahrscheinlicher: Die Bundesbank will zurück zu ihren Wurzeln. Diese sind streng auf das Prinzip der Preisstabilität fixiert, die Zentralbank möchte lieber im Hintergrund arbeiten, als mit spektakulären Aktionen den Euro zu retten.
Dazu aber wurde die Bundesbank innerhalb der EZB von ihren Kollegen seit der Krise immer wieder gedrängt. Nun versucht sie, den Ball an die Gewerkschaften abzugeben. Ansonsten müsste sie als Teil der EZB womöglich noch mal den Geldhahn aufdrehen, um die Eurozone vor der Deflation zu retten.
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