Freiburg will Wohnungen verkaufen
Initiative hofft, Privatisierung mit einem Bürgerentscheid im November zu verhindern
Freiburg will sich auf Kosten seiner kommunalen Wohnungen entschulden. Ein Bürgerentscheid könnte die Verkaufsgelüste noch stoppen.
Dresden macht Schule: Auch die Stadt Freiburg will ihre kommunalen Wohnungsbestände verkaufen, um auf einen Schlag ihren Schuldenberg von 350 Millionen Euro loszuwerden. Eine Mehrheit im Gemeinderat erklärte sich Dienstagabend dazu »grundsätzlich bereit«. Gleichzeitig ließ sie für November einen Bürgerentscheid zu, der einen Verkauf verhindern will. Kein Grund zum Abwarten, wie es scheint: Erste Schritte für die Veräußerung sollen dennoch ab sofort unternommen werden. Ursprünglich plante die schwarz-grüne Koalition einen Komplettverkauf, insgesamt 8900 Wohnungen. Motor des Vorhabens ist der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon. Vier Jahre im Amt reichten, sich von seinen einstigen Positionen zu verabschieden. Hatte er sich im Wahlkampf noch gegen Wohnungsprivatisierungen profiliert, sieht er heute »keine Alternative« zu diesem »Befreiungsschlag«. Von der Privatisierung wären etwa 25 000 Mieter betroffen. Gemeinsam mit Verbänden wehren sie sich seit Bekanntwerden der Pläne Anfang April lautstark, weil sie gravierende Verschlechterungen befürchten. Als Bürgerinititative »Wohnen ist Menschenrecht« sammelten sie erfolgreich tausende Unterschriften für das Bürgerbegehren. Offenbar als Reaktion auf die Proteste wurden die Verkaufspläne nun leicht abgewandelt. Zum einen will die Stadt doch 1000 eigene Wohnungen für sozial benachteiligte Mieter halten. Zum anderen will sie sich, statt komplett, von 94,9 Prozent ihrer Wohnungsbaugesellschaft Stadtbau trennen. Mit den 5,1 Prozent soll ihr Einfluss auf die Geschäfte gesichert werden, etwa auf Änderungen der Sozialcharta. Bei ihrer Ausarbeitung stand die Linkspartei-Politikerin Christine Ostrowski mit Rat zur Seite, die in Dresden bereits Erfahrungen in Sachen Wohnungsprivatisierung gesammelt hat. Wurde an der Elbe mit der Immobiliengesellschaft Fortress an einen Heuschreck par excellence verscherbelt, soll das im Breisgau angeblich anders laufen. Man wolle hier vorrangig an Genossenschaften verkaufen, sagt der stellvertretende CDU-Fraktionschef, Wendelin Graf von Kageneck. Oder an die Baden-Württembergische Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Heuschrecke diesen Sozialkatalog mitnimmt.« Was ist aber, wenn die dafür doppelt so viel bietet, gibt die Bürgerinitiative zu Bedenken. Immerhin schreibe die Stadtbau schwarze Zahlen und werde zu einem - für örtliche Verhältnisse - Schnäppchenpreis von 500 Millionen Euro feilgeboten. Günter Rausch traut der angeblichen Sicherheit nicht, weil »nirgendwo steht, dass ohne Sozialcharta auf keinen Fall verkauft wird«. Er hält das alles für eine »raffinierte Finte«, um die Bürger zu befrieden. Auch die Option LEG kann die Gemüter nicht beruhigen, denn die wurde anderswo auch verkauft. In Niedersachsen zum Beispiel ebenfalls an Fortress. Im Kern geht es ohnehin um eine andere Frage. Denn auch das Genossenschaftsmodell hat für Rausch den Nachteil, dass die Stadt ihre politischen Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gibt. Deshalb will die Bürgerinitiative weitermachen und sich für den Bürgerentscheid rüsten. Ihr Problem ist, dass die Stadt bis dahin weitere Fakten schaffen kann. 200 000 Euro sind für einen Berater im Haushalt eingestellt, der ab sofort einen etwaigen Verkauf vorbereiten soll. »Das Risiko, das Geld umsonst auszugeben, muss man eingehen«, meinte Kageneck nach dem Beschluss. Zwei Tage zuvor wollte er noch abwarten. Vielleicht, weil es auch in der CDU-Fraktion rumort. Zwei Mitglieder verweigerten ihre Stimme. Im Gegensatz zu den Grünen, die geschlossen hinter ihrem OB Salomon stehen. Der Fraktionsgeschäftsführer Eckart Friebes will »keine Zeit verstreichen lassen«. Er kalkuliert damit, den Bürger-entscheid beeinflussen zu können, wenn in den nächsten Monaten Angebote präsentiert werden. »Ist doch interessant vorher zu wissen, wer sich um den Kauf...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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