Fenster, Türen und Tarif

Hart umkämpfte Einigung bei der Aldra GmbH im schleswig-holsteinischen Meldorf

  • Olaf Harning
  • Lesedauer: 3 Min.
Als eine Art Erfolg feiert die IG Metall den Abschluss bei der Tischlerei Aldra. Nach acht Monaten Streit gibt es wieder einen Tarifvertrag - für drei Stunden mehr in der Woche.

Sie sind nicht gut, die Rahmenbedingungen in der Holz- und Kunststoffindustrie. Allein 6500 Fensterbauer kämpfen in Deutschland um Preise und Marktanteile - eine enorme Wettbewerbsintensität, die insbesondere im Norden und Osten der Republik zunehmend von Firmen geprägt wird, in denen es kaum oder keine innerbetriebliche Mitsprachekultur mehr gibt.

Die Folge: Waren es anfangs nur wenige Betriebe, die ihren Beschäftigten Niedriglöhne und unbezahlte Mehrarbeit abpressten, wurden die geltenden Tarifverträge ab Ende der 1990er Jahre immer häufiger unterlaufen. Und mit der sogenannten »OT-Mitgliedschaft« ihres Arbeitgeberverbandes Holz und Kunststoff Nord-Ost, fanden die Firmen ein brauchbares Werkzeug, um das auch zu legitimieren. »OT« heißt »Ohne Tarifbindung«: Die Betriebe können die Vorteile einer Verbandsmitgliedschaft erhalten, müssen sich aber nicht mehr an die von ihrem Verband ausgehandelten Tarifverträge halten. »Die Unternehmen generieren Gewinne durch Lohndumping«, kritisiert Kai Trulsson diesen Weg, »nicht durch Innovation«. Und das, weiß der Geschäftsführer der IG Metall Unterelbe, »setzt dann auch die Betriebe unter Druck, die sich bisher an den Tarifvertrag halten«.

Die Aldra Fenster und Türen GmbH in Meldorf (Kreis Dithmarschen) ist ein solcher Betrieb, oder sagen wir: Sie war es. Ausgestattet mit einem starken Betriebsrat und einer wohlorganisierten Belegschaft, trotzte das 1888 von den Handwerkern Albers und von Drahten als Bau- und Möbeltischlerei gegründete Unternehmen lange den bröckelnden Rahmenbedingungen, profitierte zudem bis 2002 von einer Kooperation mit dem dänischen Fensterhersteller Velux. 2008 aber kam Aldra ins Straucheln. Schon der Wegfall der Eigenheimzulage hatte zu einer Schieflage geführt, der allgemeine Preiskampf und schlecht zahlende Generalunternehmer taten ihr übriges, sagt Jan-Peter Albers. Er führt die Aldra GmbH in vierter Generation, steuert jetzt mit einer neuen Strategie gegen die roten Zahlen an: Weg von ruinösen Großprojekten, hin zu Service, Beratung und hochwertigem Wohnungsbau.

In der Krise hatten IG Metall und Geschäftsführung einen Zukunftssicherungstarifvertrag ausgehandelt, die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden angehoben - ohne Lohnausgleich. Für die Beschäftigten bedeutete das fünf Stunden unbezahlte Mehrarbeit. Zwar fuhr man die Arbeitszeit bis 2013 wieder auf 37 Stunden herunter, dann aber lief der Vertrag aus, die Lohn- und Arbeitsbedingungen zerfaserten: Während die Stammbelegschaft zu den alten Konditionen weiterarbeitete, erhielten neu eingestellte Mitarbeiter wesentlich ungünstigere Verträge. Zurück in den Tarifvertrag wollte das Unternehmen trotz guter Auftragslage und Rückkehr in die schwarzen Zahlen nicht. Nach heftigen Protesten von Belegschaft und IG Metall, zwei Warnstreiks im Frühjahr und der Ankündigung der Gewerkschaft, einen unbefristeten Arbeitskampf vorzubereiten, waren es am Ende wohl genau diese Zahlen, die Aldra doch noch einlenken ließen: Streiks bei vollen Auftragsbüchern, diese Vorstellung gefällt Betriebswirten selten.

Und so einigte man sich auf einen Kompromiss: Einerseits erkennt das Unternehmen für die nächsten drei Jahre den niedersächsischen Lohntarifvertrag sowie die Mantel- und Rahmentarifverträge Schleswig-Holsteins an. Andererseits erklären sich die Beschäftigten bereit, einheitlich 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. »Natürlich ist das hart«, kommentiert der Betriebsratsvorsitzende Jens Friedrichs dieses Zugeständnis, »drei Stunden umsonst«. Doch »am Ende des Tages«, fügt er schnell hinzu, »haben wir einen Tarifvertrag. Den haben wir!«

Vor allem für die vielen neu eingestellten Kollegen bedeute das Sicherheit, und auch die Stammbelegschaft scheint den Kompromiss zu billigen: Sowohl die Betriebs- als auch die gewerkschaftliche Mitgliederversammlung ergaben rund 90 Prozent Zustimmung. »Dieser Abschluss zeigt, dass es sich lohnt, zu kämpfen«, verkündet Trullson - wohl auch in Richtung der vielen Betriebe ohne Tarifbindung. »Was wir leider nicht beeinflussen können ist, wenn sich die Verbände mit OT-Mitgliedschaften aus der Verantwortung stehlen.«

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