Zwangsumzug? Nicht mit uns!
In Mitte kämpfen Senioren um den Erhalt ihrer Wohnungen und ihrer Gemeinschaft
Die Luxussanierung eines ehemaligen Seniorenheims am Hansa-Ufer 5 könnte für die Bewohner ein böses Ende haben. Für viele der betagten Mieter ist eine bevorstehende Mieterhöhung von 60 Prozent unbezahlbar. Ein alternatives Sanierungsmodell soll helfen.
Auch im hohen Alter in den eigenen, vertrauten vier Wänden wohnen zu können, das ist der Wunsch vieler Menschen. Statt sich in die Abhängigkeit von anderen in einem völlig fremden Wohnumfeld zu begeben, wollen immer mehr Ältere selbstständig in ihrem vertrauten Heim und in ihren über Jahren gepflegten sozialen Bindungen in der Nachbarschaft leben bleiben.
Mit Gleichaltrigen eigenständig zusammenwohnen, so hatten sich auch die rund 50 Senioren am Hansa-Ufer 5 in Moabit ihren Lebensabend vorgestellt. »Wir sind eine tolle Gemeinschaft«, sagt Christa Kaes. Seit gut 20 Jahren wohnt die 84 Jährige in Moabit. An Wegziehen hatte sie nie gedacht. Doch ein Zwangsumzug könnte für viele hier schon bald die bittere Realität sein. Nachdem der Bezirk Mitte 2007 den Betrieb als betreutes Seniorenwohnheim eingestellt hatte, wurde das Haus am Hansa-Ufer an den schwedischen Immobilieninvestor »Akelius« verkauft. Ein lukrativer Deal, der wieder Geld in die leeren Bezirkskassen spülte. Nur hat die Sache einen Haken: Die Senioren, die auch ohne Betreuung weiter in dem Objekt wohnen bleiben konnten, wurden gleich mit verkauft.
Obwohl der Bezirk den 66- bis 95-Jährigen damals den Bestandsschutz bis mindestens zum Jahr 2017 in ihren Mietverträgen schriftlich zugesichert hatte, will davon heute kein Bezirkspolitiker mehr etwas wissen. Dass Sozialstadtrat Stephan von Dassel (Grüne) kürzlich eingestehen musste, dass der Verkauf seinerzeit ohne bindende Klauseln zum Mieterschutz abgewickelt wurde, ist für die Senioren ein Skandal. »Wir wurden verschaukelt«, sagt Seniorin Kaes stellvertretend für die Meinung vieler Hausbewohner.
Das in Schweden und Deutschland für hochpreisige Wohnungen bekannte Immobilienunternehmen »Akelius« hat seinerseits Großes mit dem Haus in bester Stadtzentrumslage vor. Neben einer grundlegenden Strangsanierung soll das Gebäude aus den 1970er Jahren mit Citylofts aufgestockt werden. Ein vorhandener Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss sowie Teile des Gartens würden durch die Umbauten wegfallen. Die Senioren müssten sich während der Bauarbeiten auf Lärm, Schmutz und regelmäßiges Wasserabstellen gefasst machen. Nach Fertigstellung winkt dann noch eine Mieterhöhung um bis zu 60 Prozent. Für viele der Mieter liegt das weit über ihrem Budget. Also einen Zwangsumzug hinnehmen? »Das geht mal gar nicht«, sagt Kaes energisch. Stattdessen wollen sich die rüstigen Senioren nun mit Mieterinitiativen vernetzen und öffentlichen Druck aufbauen. Ihr Motto dabei: Sanierung ja, aber sinnvoll!
So wollen die Senioren dem Hauseigentümer ein alternatives Modernisierungsmodell vorschlagen, dass sowohl Aspekte der energetischen Sanierung als auch sozial verträgliche Mietpreise mit berücksichtigt. Hinweise, dass sich der Investor von solch einem Alternativmodell überzeugen lässt, gibt es bislang aber nicht. Zusätzlich haben die Senioren eine berlinweite Unterschriftenaktion aus Protest gegen die Nichtbeachtung ihres Mieterschutzes gestartet.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.