Ungleicher Kampf um die Aufklärung

Auf deutscher Seite gibt es viele Kritiker des Großprojektes - ihre Proteste zeigen langsam Wirkung

  • Dieter Hanisch, Fehmarn
  • Lesedauer: 3 Min.
Aus Dänemark verlautet, 2015 solle mit dem Bau der Festen Fehmarnbeltquerung begonnen werden. Auf deutscher Seite sieht man das mit Skepsis. Das gravierendste Problem: fehlende Akzeptanz.

Von einem Stuttgart 21 sind die Proteste weit entfernt, doch die Zahl der Projektgegner wächst. 3000 Eingaben erreichten den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein bis zum Ende der Einspruchsfrist zum Planfeststellungsverfahren Anfang Juli. Nicht nur Umweltschützer und betroffene Kommunen haben Einwände, auch Privatpersonen, Landwirte, Campingplatzbetreiber sowie die Reederei Scandlines, die die Fährlinie zwischen Puttgarden und Rødby betreibt.

Der Bauherr des geplanten Tunnels, Femern A/S, rechnet für Mai 2015 mit einem Planfeststellungsbeschluss und kurz darauf mit dem Baubeginn. In Burg auf Fehmarn wurde ein Informationszentrum eröffnet, in dem Besucher mit Hochglanzbroschüren überschüttet werden. Die schleswig-holsteinische Ostseeinsel ist - auch wegen der vielen Sonnenstunden - ein attraktiver Touristenort. Aber wie lange noch?

Diese Frage stellt sich auch Nikola Vagt, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit im Wasservogelreservat Wallnau. Die Querung bringe nicht erst nach der Fertigstellung Nachteile für Flora, Fauna und Inselbewohner, sondern bereits während der Bauphase - etwa durch Lärm. Im Infozentrum stapeln sich Akten zum Milliardenprojekt. Gespannt wartet Vagt auf die Festsetzung der Erörterungstermine, bei denen die Planfeststellung noch einmal mündlich geprüft wird. Doch für sie wie für Hendrick Kerlen vom »Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung« scheint sicher, dass auch beim dänisch-deutschen Großprojekt eine endgültige Klärung erst durch Gerichte erfolgen wird.

Kerlen, früher selbst Bauingenieur, hat den mehrere tausend Seiten umfassenden Schriftsatz für das Planfeststellungsverfahren komplett gelesen. »Diese Zeit haben nicht alle, das soll auch abschrecken«, ist der 75-Jährige überzeugt, der seit 2010 einmal pro Woche mit einem Marktstand die Sicht der Projektgegner zu vermitteln versucht. »Viele Touristen erfahren erst von uns, welches Unheil hier droht«, sagt auch Vagt. Die Informationslücke verwundert nicht, dürfen doch die Kritiker auf der gesamten Insel nur 22 Plakate aufhängen.

Es ist ein ungleicher Kampf um die Aufklärung: auf der einen Seite ehrenamtlich engagierte Projektgegner, einige Naturschützer und nahezu einflusslose Grüne und Linke; auf der anderen Seite Baukonsortien, Wirtschaftsverbände, Regierungen und Großparteien. Dennoch zeigt der Widerstand Wirkung. Immer wieder sehen sich die Befürworter genötigt, neue PR-Aktionen zu starten und Interessengremien zu bilden. So wurde in Lübeck vor wenigen Tagen ein länderübergreifender Kooperationsrat Fehmarnbelt-Achse gegründet. Er soll auch an Konzepten für eine größere Akzeptanz arbeiten. Im April wurde 40 Lehrkräften in Eutin eine Fortbildung über Entwicklungschancen durch die Querung vermittelt. Unter den Referenten fanden sich keine Kritiker. Hajo Nötzel, der in Ostholstein Touristen beherbergt, ist sauer: »Natürlich ist das keine ausgewogene Information.« Auch seine Frau Andrea arbeitet aktiv gegen »den geplanten Wahnsinn«. Sie hat auf den Scandlines-Fähren Trucker befragt. »Der überwiegende Teil würde nach eigenem Bekunden bei vorhandenem Tunnel weiter die Fähre nutzen«, sagt sie. »Alle bislang vorgelegten prognostizierten Nutzerzahlen können wir also mit Recht anzweifeln.«

Inzwischen ist der Protest von Fehmarn aufs Festland übergeschwappt. Dort wurde die von Deutschland zu finanzierende Hinterlandanbindung zum Zankapfel: Gütertransporte sollen statt über Jütland durch Ostholstein rollen - mit allen damit verbundenen Widrigkeiten wie Lärm und abweichender Trassenführung. Beides wird als tourismusfeindlich angesehen. Regionale Bürgerinitiativen wehren sich. Sie haben sich zur »Allianz gegen eine feste Fehmarnbeltquerung« zusammengeschlossen und wünschen sich mehr Verbündete: »Greenpeace hat angekündigt, erst mit Baubeginn aktiv zu werden«, schildert Susanne Brelowski, Sprecherin der Allianz. Dabei sei es gerade jetzt wichtig, eine im Staatsvertrag durchaus gegebene Möglichkeit einer Projektneubewertung einzufordern.

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