Zurück zur alten Ordnung

Südamerika tröstet sich nach der enttäuschenden WM in der Copa Libertadores, Amerikas Champions League

  • André Dahlmeyer, Patagonien
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Die Reaktionen auf eine WM die sich zur Eurocopa mauserte, drückten sich in Südamerika unterschiedlich aus. In Paraguay waren die Leute stinksauer. Von Trainer »Maño« Ruíz hatte man noch nie viel gehalten. Der ist Uruguayer, musste danach gehen. In Brasilien gab man sich gewohnt exzentrisch. Tagelang wurden Devotionalien der Selecao verbrannt; landesweit kam es zu Plünderungen. Eine monumentale Ronaldinho-Statue wurde in Schutt und Asche gelegt. Die Schuld für das Ausscheiden gegen Le Bleues gab man Roberto Carlos. Der hatte sich bei dem entscheidenden Freistoß von Zidane tatenlos die Strümpfe hochgezogen. BrasilienTrainer Parreira nahm dieser Tage etwas stinkig seinen Hut und wird künftig das Team Südafrikas betreuen. Das ist stressfreier. Als Gastgeber der WM 2010 erspart sich das Land die Qualifikation. In Ecuador meckern nur Unverbesserliche. Man spielte schließlich mit einem Schwergewicht wie England auf gleicher Schienbeinhöhe, was will man mehr. Trainer Luis Suárez spannt gerade in seiner Heimat Kolumbien aus, wird wohl im Amt bleiben. Argentiniens Trainer Pekerman war gleich nach dem Viertelfinal-Aus zurückgetreten. Ein Mann alter Schule, mit Grundsätzen. Dennoch: Als er mit der Hälfte des Kaders nach Buenos Aires zurückkehrte, wurde dem Team am Flughafen Ezeiza ein rauschender Empfang bereitet. Rund 8000 Fussballverrückte, überwiegend einfache Familien, hatten mitten in der Nacht den weiten Weg auf sich genommen. Sie mussten dann bis morgens warten, auf den klapprigen 86er-Linienbus, der sie zurück ins Zentrum direkt zur Arbeit brachte. Das Erreichen des Viertelfinals wurde in Argentinien wie der WM-Titel gefeiert. Das der an Italien ging, wurde wohlwollend beklatscht. Als der spätere Campeón im Halbfinale den Gastgeber rauswarf, sprach man anschließend auf allen Nachrichtenkanälen Argentiniens erstmal nur noch italienisch. Weniger aus Schadenfreude - die meisten »Gauchos« haben italienische (oder spanische) Wurzeln. Pekerman indes wurde zum Weitermachen aufgefordert. Er blieb hart. Nachfolger wird Alfio »Coco« Basile, der die »Albiceleste« bereits 1990 bis 1994 dirigierte. In dieser Zeit wurde Argentinien zweimal ungeschlagen Südamerikameister. Seit einem Jahr ist Basile Trainer der legendären Boca Juniors; in dieser Zeit gewann der Klub vier Titel. Sobald Boca einen Nachfolger gefunden hat, übernimmt Basile die Nationalelf. Bei den gerade abgeschlossenen Viertelfinals der »Copa Libertadores« (das amerikanische Pendant zur Champions League), die wegen der WM unterbrochen worden war, wurde die »alte Weltordnung« wenigstens auf Vereinsebene wieder hergestellt. Unverdient ist auch gewonnen, dachten sich die beiden verbliebenen Vertreter Brasiliens, und zogen in die Semifinals. Titelverteidiger und Weltpokalgewinner São Paulo FC besiegte die Argentinier von Estudiantes La Plata nach Elfmeterschießen; Internacional Porto Alegre setzte sich gegen den letzten im Wettbewerb verbliebenen Klub Ecuadors, die Liga Deportiva Universitaria Quito durch. Argentiniens Rekordmeister River Plate war in Asunción (Paraguay) gegen Libertad chancenlos (wegen schweren Gästekrawallen wurde das Spiel abgebrochen). Als letzter verbliebener argentinischer Klub sollte es am Donnerstag (Ortszeit) Vélez Sarsfield richten, unter den Augen von Diego Maradona. Das Team aus Liniers am Speckgürtel von Buenos Aires war das einzige ungeschlagene im Wettbewerb. Doch die Aztekenkicker der »Chivas« aus Guadalajara waren deutlich eine Nummer zu groß. Egal, es wurde gefeiert. Schon wegen der »frostigen« Winterte...

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