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»Rückfall in alte Muster«

SPD-Vizefraktionschef Heuer: LINKE soll sich der Garnisonkirche nicht in den Weg stellen

  • Lesedauer: 4 Min.
Pete Heuer ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Er arbeitet im brandenburgischen Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung. Früher war er einmal Mitarbeiter der Linksfraktion im Landtag, von 2004 bis 2008 auch LINKE-Kreisvorsitzender in der Landeshauptstadt. Über den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche sprach mit ihm Andreas Fritsche.

nd: SPD, CDU und Grüne befürworten die Potsdamer Garnisonkirche. In der Stadtverordnetenversammlung, bei der Abstimmung über ein Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau, haben sich diese Parteien jetzt jedoch enthalten und so die Annahme des Bürgerbegehrens ermöglicht. Damit haben sie den angestrebten Bürgerentscheid ausgebremst. Hatten Sie Angst vor dem Bürgervotum?
Heuer: Wohl kaum eine Kommune befragt ihre Einwohnerinnen und Einwohner so oft wie Potsdam. Zuletzt zum neuen Schwimmbad. Der Landtag im wiedererrichteten Potsdamer Stadtschloss - heute eine Erfolgsstory - ist im Ergebnis einer Bürgerbefragung nach jahrelangem Streit entstanden. Initiiert übrigens seinerzeit durch SPD und LINKE. Auch über die Garnisonkirche werden die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden, da habe ich keinen Zweifel. Dann aber nicht mit einer irreführenden und rechtlich angreifbaren Fragestellung, zu der wir uns nur enthalten konnten. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben einseitig und unvollständig informiert, letztlich sogar getäuscht. Kein Wort zum Beispiel über die Sprengung auf Weisung der SED im Jahr 1968 oder die Tatsache, dass wir als Kommune kein öffentliches Geld einsetzen. Die zukünftige Nutzung als Versöhnungszentrum und die Zusammenarbeit mit der Nagelkreuzbewegung aus Coventry fand kaum Erwähnung.

Leidet nicht unter den taktischen Spielchen von SPD, CDU und Grünen die Glaubwürdigkeit der Potsdamer Kommunalpolitik?
Das Bürgerbegehren war von den Initiatoren taktisch angelegt. Am Ende haben sie gegen ihren eigenen Antrag gestimmt. An diesem aufgezwungenen Spiel haben wir uns nicht beteiligt. Was sollte das für ein Bürgerentscheid sein, nach dessen Durchführung, egal wie er ausgeht, sich nichts ändert, weil er auf die unzulässige Handlung gerichtet war, dass sich die Stadt für die Auflösung der Garnisonkirchen-Stiftung einsetzt? Ob die Garnisonkirche kommt oder nicht, liegt nicht in der Hand der Stadt. Sie hat einen von elf Sitzen im Stiftungsrat und die Baugenehmigung erteilt. Die von den Garnisonkirchengegnern beabsichtigte Symbolpolitik schadet der Glaubwürdigkeit. Den Weg zur Annahme des Bürgerbegehrens frei gemacht hat übrigens die LINKE mit ihrer Zustimmung. Das ist ihr anzurechnen, wenngleich ich die inhaltliche Position der LINKEN nicht teile.

Warum haben Sie persönlich sich der Stimme enthalten?
Man sprengt keine Kirchen. Als ehemaliges SED-Mitglied empfinde ich Scham für unrechtes Handeln, auch ohne persönliche Schuld. Der damaligen Potsdamer Bürgermeisterin Brunhilde Hanke zolle ich Respekt. Sie hat 1968 versucht, sich Ulbricht zu widersetzen und sich nach der Wende klar vom Akt der Zerstörung der Kirche distanziert. Das Mindeste, was ich von der LINKEN erwarte, ist, dass sie sich der Initiative des Wiederaufbaus nicht in den Weg stellt. Bis 2013 galt bei den LINKEN die Tolerierung des Projektes. Erst danach kam der Rückfall in alte Muster.

Was wird die Stadt nun unternehmen, um das Anliegen der Bürgerinitiative »Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche« zu erfüllen oder ist das von der Stadt gar nicht beabsichtigt?
Die Stadt wird den Auftrag des Bürgerbegehrens erfüllen und die Stadtverordneten kontrollieren das. Schon im nächsten Hauptausschuss wird der Oberbürgermeister berichten, so die klare Beschlusslage. Das dies faktisch nichts bewegt, hat seine Ursache in dem wirkungslosen Wortlaut des Bürgerbegehrens. Was viel wichtiger ist - da wir die Unterschriften von zehn Prozent der wahlberechtigten Potsdamerinnen und Potsdamer sehr ernst nehmen - wird sehr schnell ein breit angelegter ausgewogener Beteiligungsprozess beginnen, an dessen Ende ein repräsentatives Votum der Stadtbevölkerung steht. Eine Spaltung der Stadt in Gegner und Befürworter ist nicht das Ziel, sondern Aufklärung und die Suche nach mehrheitsfähigen Lösungen. Architektonische Gestaltung und inhaltliches Nutzungskonzept sind nicht in Stein gemeißelt. Manfred Stolpe hat dazu gute Anregungen gegeben.

Haben Sie kein Problem mit der Vergangenheit der Garnisonkirche als Symbol des preußischen Militarismus und als Schauplatz des symbolträchtigen Händedrucks von Adolf Hitler und Paul von Hindenburg 1933?
Der Platz hier reichte nicht, alle Gebäude aufzuzählen, in deren Geschichte es unakzeptable Momente gab.

Glauben Sie, dass die Spenden für die Garnisonkirche noch zusammenkommen und zumindest der Turm wie geplant nachgebaut wird?
In einer toleranten und aufgeklärten Stadt werden Spender sich auch zukünftig nicht scheuen, ihren Beitrag für verschiedenste Projekte - so auch zur Wiedergewinnung der historischen Mitte - zu leisten. Die Bürgerschaft muss für ein solches Klima die Voraussetzungen schaffen.

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