Floyd Landis gewinnt die »verrückte Tour«

Andreas Klöden erreicht nach starkem Zeitfahren doch noch einen Podiumsplatz bei der Tour ohne große Namen

  • Tom Mustroph, Paris
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Die Tour de France ist zu Ende gegangen. Ganz anders als erwartet. Kein Jan Ullrich, kein Ivan Basso stand auf dem Podium in Paris. Der Italiener fährt zu Hause Rad und hofft auf die Fortsetzung der Karriere, der Deutsche schmollt in der Schweiz, weil die Kündigung seines Vertrages schnöde per Fax bei ihm eingegangen war. Das groß angekündigte Duell war ausgefallen, weil sich die Indizien erhärtet hatten, dass der »große Junge« Jan und der sanfte Traum aller Schwiegermütter Ivan mit unerlaubten Mitteln ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit auf die Sprünge geholfen hatten. In Abwesenheit der beiden mag jetzt niemand den Sieger der Tour de France 2006 ernsthaft als Nachfolger Lance Armstrongs (USA) bezeichnen. Floyd Landis (s. Interview) gilt als der Glückliche, der in einer Übergangsepoche das gelbe Trikot erobert hat. Der US-Amerikaner hat es zu Recht übergestreift, denn seine Taktik und seine Leistung haben diese Tour de France bestimmt. Zwei Wochen lang betätigte sich seine Phonak-Mannschaft vor allem als Meister der Arbeitsverweigerung und des Zauderns, und die anderen Favoritenteams zauderten fleißig mit. So viele Spitzengruppen wie lange nicht kamen im Ziel an. Das gelbe Trikot wanderte fast wie ein ungeliebtes Gut von Schulter zu Schulter. Seine langfristigen Pflichtaufgaben indes erledigte Landis mit Bravour. Den Hauptkonkurrenten gönnte er kaum eine Sekunde Vorsprung, nicht beim Zeitfahren, nicht in den Pyrenäen und anfangs auch nicht in den Alpen. Dann kam der Tag seines Einbruchs. Acht Minuten verlor er auf dem Weg nach La Toussuire. Die Genugtuung der anderen hielt nicht lange vor. Im Stile des belgischen »Kannibalen« Eddy Merckx brachte er sich wieder in Reichweite des gelben Trikots. Er kam dahin, weil ihn die anderen ließen. »So ist Sport«, versuchte T-Mobile-Teamchef Mario Kummer diese Entscheidung zu rechtfertigen. »Bei einem Mann, der am Vortag am letzten Berg einbricht, muss man annehmen, dass ihm nach 130 km Alleinfahrt dasselbe wieder passiert.« Radsport ist leider komplexer. Die Wahrheit von gestern ist selten die Wahrheit von heute. Landis, der professionelle Zögerer, kam wegen des hilflosen Zögerns der Konkurrenz zurück. Und er vollendete kühl sein Werk beim Zeitfahren in der Bourgogne. Gefährlich werden konnte ihm allenfalls der Mann, den er selbst stark gemacht hatte: Ex-Teamkollege Oscar Pereiro. Der Spanier kam paradoxerweise im Jahr des spanischen Dopingskandals dem Toursieg so nah wie lange kein Spanier. Pereiro verteidigte verbissen sein gelbes Trikot. In der ersten Hälfte des Zeitfahrens hatte er es noch, im zweiten Teil mobilisierte er alle Kräfte, um Platz zwei vor Andreas Klöden zu sichern. In einem normalen Rennen hätte der deutsche T-Mobile-Profi der Sieger sein müssen. Er verlor auf keiner Etappe eine halbe Stunde wie Pereiro, oder acht Minuten wie Landis. Klöden hielt sich in den entscheidenden Momenten zumindest in der Nähe der Favoriten auf. Doch in der »Tour fou«, der verrückten Tour, reichte diese normale Arbeitsauffassung nur zu Rang drei. Klöden hat nicht geschludert, doch abgesehen vom Zeitfahren am Sonnabend und der Auffahrt nach LAlpe dHuez setzte er auch keine Akzente. Auf dem Podium stehen drei Sportler, die bislang noch nicht mit dem mutmaßlichen Dopingarzt Fuentes in Zusammenhang gebracht werden. Doch zu behaupten, die »Tour nach« (Armstrong) und die »Tour ohne« (Ullrich und Basso) sei auch eine Tour ohne Doping gewesen, ist verfrüht. Die Haltung des aktuellen Siegers, nichts zur Thematik Doping sagen zu wollen, so oft man ihn auch danach frage, lässt die Hoffnung auf eine wirkliche »Tour danach« nicht aufkommen. Der Radsport ist in der Pflicht, seine Interpretation von Sauberkeit und Fa...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.