Gelbe Tonne vor dem Aus?

Das privatwirtschaftliche Duale System für Verpackungsmüll schreibt rote Zahlen - Ruf nach Rekommunalisierung

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Werden die Gelben Tonnen schon bald nicht mehr geleert? Ein Finanzstreit zwischen den Betreibern der Entsorgungssysteme und den großen Handelsketten macht es möglich.

Die Müllberge von Neapel sind vielen noch gegenwärtig. In der süditalienischen Stadt hatten in den vergangenen Jahren Müllstreiks und sommerliche Hitze zu chaotischen Zuständen geführt. Drohen solche Verhältnisse nun auch in Deutschland? Zwar machen die Müllmänner ihren Job, aber die Betreiber der insgesamt neun Dualen Systeme haben die Nase voll. Für die Privatunternehmen, die in Deutschland die Gelbe Tonne und die Entsorgung des Verpackungsmülls mit dem Grünen Punkt organisieren, ist das derzeitige System ein schlechtes Geschäft. Dabei geht es einerseits um die Kostenverteilung zwischen den beteiligten Unternehmen und die Aufteilung von Gebieten sowie andererseits um eine unzureichende Beteiligung des Handels an den Kosten. Eigentlich müssen die Verpackungshersteller und der Handel die Entsorgung des Verpackungsmülls bezahlen.

In der vergangenen Woche gab es deshalb in Köln eine erste Verhandlungsrunde mit den großen Handelsfirmen wie Edeka, Rewe, Metro, Lidl und Aldi - das für das zweite Halbjahr 2014 erwartete Einnahmeminus konnte von anfänglich 52 Millionen auf 20,7 Millionen Euro reduziert werden. Die Grundsatzfrage allerdings, wie das Duale System in Zukunft organisiert werden soll, blieb ungeklärt. Klar ist: Eine Einigung muss her, sonst könnte es dazu kommen, dass die Gelben Tonnen in Deutschland nicht mehr geleert werden. In der Sommerhitze könnte ein solcher Müllkollaps schnell verheerende Folgen haben.

Deutscher Abfall in Zahlen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug das Aufkommen an Haushaltsabfällen in Deutschland im Jahr 2012 insgesamt 36,7 Millionen Tonnen - pro Einwohner waren dies 456 Kilogramm. 58 Prozent machten die getrennt gesammelten Abfälle aus (11,9 Millionen Tonnen Wertstoffe wie Papier, gemischte Verpackungen und Glas sowie 9,1 Millionen Tonnen Bioabfälle). Der Restmüll machte 36 Prozent der Haushaltsabfälle aus, Sperrmüll sechs Prozent. Die Recyclingquote bei Verpackungen lag bei 81 Prozent, bei Elektrogeräten, Bioabfall, Glas und Papier betrug sie hingegen nahezu 100 Prozent.

Haushaltsmüll machte 2012 aber nur einen kleinen Teil am gesamten Abfallaufkommen von 381 Millionen Tonnen aus. Ganz vorne lagen Bau- und Abbruchabfälle mit 199,3 Millionen Tonnen. Es folgten Abfälle aus Produktion und Gewerbe mit 54 Millionen Tonnen. Die Menge des verbrannten Mülls lag bei 44,7 Millionen Tonnen. Auf den Deponien landeten 36,9 Millionen Tonnen. nd

 

Bis zum heutigen Freitag wollten sich die Betreiber der Dualen Systeme nun untereinander sowie mit den großen Handelsfirmen zumindest über eine finanzielle Beteiligung an den entstandenen Schulden einigen. Sie werfen Handel und Industrie vor, sich nicht angemessen an den Kosten zu beteiligen und Zahlen zu fälschen: Bisher müssen die sogenannten Inverkehrbringer von Verpackungen auf alle Produkte eine Lizenzgebühr an die Dualen Systeme bezahlen - es sei denn, sie nehmen die Verpackungen selbst zurück. Aus der Entsorgerbranche kommt jedoch seit Langem der Vorwurf, dass bei der Eigenrücknahme viel zu hohe Mengen angegeben werden. So komme es dazu, dass insgesamt zu wenig Geld an die Dualen Systeme abgeführt wird.

Die jüngste Novelle der Verpackungsverordnung, die im Juli auch vom Bundesrat beschlossen wurde, soll zumindest die Eigenrücknahme des Handels deutlich erschweren. Ob dadurch aber die Krise des Dualen Systems gelöst wird, bleibt fraglich. Diese Entscheidung hängt wohl an einem von der Regierung geplanten neuen Wertstoffgesetz, das seinen Schatten vorauswirft: So warnt Peter Kurth, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), vor einer Rekommunalisierung. Die jetzigen Verhandlungen würden entscheiden, ob es auch weiterhin eine »privatwirtschaftlich organisierte, effiziente und kostengünstige Verpackungsentsorgung« gebe. Der BDE, Interessenverband der privaten Müllfirmen, will die Preise für die Verpackungsentsorgung durch Wettbewerb niedrig halten. Allerdings plädiert er zumindest für eine unabhängige Stelle, die eine angemessene Gebührenzahlung des Handels überwachen soll.

Was der BDE verhindern will, fordern andere ein: Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) will das Duale System zurück in die Verantwortung der Städte und Gemeinden holen und verweist auf »die bedenkliche Verfassung, in der sich das privatwirtschaftlich organisierte System der Verpackungsentsorgung befindet«. Dabei gehe es auch um fragwürdige Ausschreibungen, an denen sich Tochterfirmen der Dualen Systeme beteiligen. Die mit der Verpackungsverordnung eigentlich beabsichtigte ökologische Lenkungswirkung sei jedenfalls perdu, kritisiert der Stadtwerkeverband. Die Trennbereitschaft der Bürger sei deutlich zurückgegangen und die Inverkehrbringer seien nicht motiviert, Verpackungen einzusparen, wie ein Gutachten im Auftrag des VKU ergab. Die kommunalen Unternehmen fordern deshalb einen Systemwechsel hin zu mehr staatlicher Verantwortung, aber auch eine anders geregelte Mülltrennung: Die Gelben Tonne für Verpackungen solle durch eine Kunststofftonne ersetzt werden.

Der Unmut über das privatwirtschaftlich organisierte System ist groß. So hat sich eine »Gemeinschaftsinitiative zur Abschaffung der dualen Systeme«, kurz: Gemini, gegründet, der sich mittlerweile auch private Entsorger wie der Marktführer Remondis angeschlossen haben. Ihr Ziel lautet: »Wertstofferfassung und Wertstoffrecycling ohne Systembetreiber und in kommunaler Verantwortung.«

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