US-Luftwaffe greift IS-Stellungen an

Nach Artilleriebeschuss der Kurdenhauptstadt Erbil durch die Dschihadisten / Linken-Politikerin Jelpke über Gräueltaten der Islamisten: »Was sich hier abspielt, ist ein regelrechtes Gemetzel«

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Die US-Luftwaffe hat Stellungen der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) im Nordirak angegriffen. US-Kampfflugzeuge hätten IS-Stellungen angegriffen, nachdem die Dschihadisten die Kurdenhauptstadt Erbil mit Artillerie beschossen hätten, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am Freitag. Zwei F18-Kampfjets hätten 220 Kilogramm schwere Bomben nahe Erbil abgeworfen, berichtete der TV-Sender NBC. Der Sender CNN berichtete von lasergelenkten Präzisionsbomben. Das Pentagon nannte zunächst wenig Details. Die Angriffe seien mit Kampfjets vom Flugzeugträger »George H.W. Bush« geflogen werden, der bereits im Juni in den Persischen Golf verlegt worden war, hieß es.

Obama hatte solche Luftangriffe zum Schutz amerikanischer Militärangehöriger und bedrohter Minderheiten im Nordirak zuvor genehmigt. Zugleich kündigte er am Donnerstagabend in Washington an, die USA hätten mit dem Abwurf von Hilfsgütern begonnen, um die in der Region vor den sunnitischen Extremisten geflüchteten Menschen zu unterstützen. Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, wurden erste Hilfsgüter erfolgreich am Sindschar-Gebirge aus Flugzeugen abgeworfen. Dabei handelte es sich um Nahrungsmittel und Wasser.

Es gehe um den Schutz religiöser Minderheiten, ein Völkermord müsse verhindert werden, sagte Obama. Das Vorgehen der Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat bezeichnete er als »barbarisch«. Die bedrohten Menschen im Irak hätten sich lange gefragt, wann Hilfe komme. »Heute kommt Amerika zu Hilfe«, sagte Obama. »Wenn wir die Möglichkeit haben, ein Massaker zu verhindern, dürfen wir nicht wegschauen.« Obama fügte aber ausdrücklich hinzu: »Als Oberkommandierender der Streitkräfte werde ich es nicht zulassen, dass die Vereinigten Staaten in einen weiteren Krieg im Irak gezogen werden.«

Obama betonte aber auch, es würden keine US-Bodentruppen in den Irak geschickt. Luftangriffe habe er insbesondere für den Fall autorisiert, dass IS-Kämpfer gegen die Stadt Erbil vorrücken sollten, in der sich auch US-Militärberater befänden, sagte Obama. Luftangriffe seien auch möglich, wenn die Kämpfer gegen die ins Sindschar-Gebirge geflüchteten Jesiden vorgingen. Es werde sich aber um »gezielte Operationen« handeln. Er nannte keine Einzelheiten.

Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die seit einer Woche in den kurdischen Gebieten der Türkei, des Iraks und Syriens unterwegs ist, um sich ein Bild von dem Flüchtlingsdrama dort zu machen, berichtete derweil von Gräueltaten der IS-Miliz. »Was sich hier abspielt, ist ein regelrechtes Gemetzel«, sagte Jelpke. Ihr sei geschildert worden, wie ein Ehemann vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder von IS-Terroristen geköpft worden sei. »Frauen werden in Brautkleider gesteckt, vergewaltigt und dann den Angehörigen regelrecht vor die Füße geschmissen.«

Hunderte Mädchen seien entführt, von den Milizen missbraucht oder an Menschenhändler verkauft worden, sagte Jelpke. An den Grenzen zwischen dem Irak, Syrien und der Türkei seien Tausende Flüchtlinge unterwegs. »Was hier bisher an humanitärer Hilfe angekommen ist, ist wirklich extrem wenig«, sagte Jelpke. »Man müsste viel mehr tun, um den Menschen hier zu helfen.«

Jelpke kritisierte allerdings auch die US-Luftangriffe. Diese seien »in der jetzigen Situation nicht der richtige Weg. Dabei drohen auch unschuldige Zivilisten zu sterben«. Die Politikerin bezeichnete es stattdessen als notwendig, »die Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen und den Aufnahmeländern unter die Arme zu greifen« Auch müsse die PKK »schnellstens von den Terrorlisten gestrichen« und »die Hintermänner und Waffenlieferanten des ISIS ausfindig gemacht und bekämpft werden«.

Mit der Eroberung der Stadt Mossul im Juni hatten sich IS-Milizen in der Region festgesetzt. Zunächst starteten sie den Vormarsch auf Bagdad und bekämpften vor allem Schiiten. Zuletzt rückten die Extremisten aber auch immer weiter in Richtung Norden an die Grenzen der Autonomieregion Kurdistan und damit in christliche sowie jesidische Gebiete vor. Zehntausende sind dort auf der Flucht. Die Bundesregierung hatte am Freitag 2,9 Millionen Euro für medizinische Hilfe und Trinkwasserversorgung zur Verfügung gestellt. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die jüngsten IS-Angriffe in der Provinz Ninive eine Massenflucht von etwa 200 000 Menschen ausgelöst.

Der UN-Sicherheitsrat hatte das brutale Vorgehen der sunnitischen Extremistengruppe zuvor scharf verurteilt. »Wir müssen prüfen, ob die Attacken Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Dann müssen die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden«, sagte der derzeitige Ratspräsident, Großbritanniens UN-Botschafter Mark Lyall Grant, nach einer Sondersitzung des Sicherheitsrates in New York. Das Gremium rief die internationale Gemeinschaft auf, der Bagdader Regierung beizustehen. »Wir sind empört, dass Zehntausende Menschen zur Flucht gezwungen wurden«, hieß es in der Erklärung. »Alle Seiten müssen zusammenarbeiten, um Iraks Souveränität, Einheit und Unabhängigkeit zu sichern.«

Der irakische UN-Botschafter Mohammed Ali Alhakim sagte, die Situation im Nordirak habe sich extrem verschlechtert, »es handelt sich im Grunde um eine humanitäre Katastrophe«. Nötig sei deshalb Hilfe für die Zivilisten. »Das ist Priorität Nummer eins, das ist nötig. Über alles andere kann man in Ruhe nachdenken.« Hunderttausend Menschen flohen nach Angaben des Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, Louis Raphael I. Sako, am Donnerstag zum Teil zu Fuß aus ihren Heimatdörfern im Norden. Agenturen/nd

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